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Test: Macmull Custom Guitars The Stinger

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(Bild: Dieter Stork)

Die für ihre feinen Vintage-orientierten Preciosen bekannte Firma aus Jerusalem hat mit dem Modell The Stinger nun ein eigenständiges Design im Offset-Stil vorgestellt. Das Workhorse soll, anpassungsfähig wie ein Chameleon, so gut wie allen Ansprüchen gewachsen sein. Das wollen wir genauer wissen!

Macmull Guitars, das sind Master Luthier Tal Macmull und Gitarrist/Produzent Amit R. Sadras, und sie haben mit der Verfeinerung klassischer Modelltypen im weiten Feld der Boutique-Gitarren bereits für manch anerkennend gehobene Augenbraue gesorgt. Dank genauer Analyse der Originale im Verbund mit ausgesuchten Materialien und absoluter Widmung für das Detail fand man zu schlagenden Ergebnissen und internationaler Anerkennung.

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Die Testgitarre hat uns im Übrigen Ralf Schalck von Lead Guitars zum Test zur Verfügung gestellt, danke dafür!

FEINE HÖLZER – PERFEKTE ABSTIMMUNG

Die „No-Nonsense Guitar“ The Stinger folgt einem geradlinigen Design auf Grundlage der kalifornischen Konstruktionsmethode mit Schraubhals und T-Style Bridge, plus Gibson-Anleihen bei Elektrik und P90-Pickups. Ein stilistischer Mix, der irgendwie vertraut daherkommt, und doch auch Anspruch auf eine gewisse Eigenständigkeit erhebt.

Die Details: Der knapp 4,2 cm starke Body aus Black Limba erinnert nur noch entfernt an die Offset-Silhouette von Fenders Jaguar/ Jazzmaster-Design. Mit deutlich weniger Horn oben wirkt die Stinger bei etwa identischem Halsansatz wie leicht gestaucht, sagen wir besser kompakter. Weiche Kantenrundungen, sowie Abgleiche für die Armauf- und Bauchanlage entsprechen den bewährten Comfort Contour Body Shapes. Limba aka Korina ist ein eher ungewöhnliches Tonholz im Zusammenhang mit Schraubhalsgitarren. Bei diesem Stinger-Modell wird die charakteristische Holzstruktur durch eine ultradünn aufgetragene, offenporige Nitrolackierung in der geradezu aufregend krassen Farbe Greeny Placid noch besonders herausgestellt.

Der einteilige Ahorn-Hals mit Oval-C-Profil, wunderbar glatt und weichgriffig mit einem Öl-Finish versiegelt, erhielt ein Griffbrett aus Madagascar Rosewood (Ahorn ist optional erhältlich) von 12“ Radius aufgesetzt, in dem 21 Medium Jumbo-Bünde von Jescar und Clay Dots zur Lagenkennung Platz fanden. Die Griffbrettkanten weisen auffällig gute Verrundung auf, die Bundenden sind entsprechend präzise daran angepasst.

Kopfplattenvariation nach Macmull-Art (Bild: Dieter Stork)

Zugriff auf den Halsstab gewährt eine korpusseitig zu findende Speichenradmutter. Die parallel herausgeführte Kopfplatte weicht etwas vom üblichen, recht geometrischen Macmull-Format in Richtung Big Headstock der späten Strat-Phase ab und ist mit Gotoh-Mechaniken inklusive weißer Knöpfe ausgestattet. Die Saiten, B und E unter einem Niederhalter hindurch, werden über einen schmalen Knochensattel hinweg mit einer Mensur von 648 mm hinüber zur Macmull Stinger Bridge mit drei Messing-Reitern (kurzer T-Style Typ) und Strings-thru-Body-Saitenkonterung geführt.

Macmull Stinger Bridge mit Messingreitern (Bild: Dieter Stork)

Ein von Hand gewickeltes Set P90-Pickups wird mit einem oben vorn auf das Horn platziertem Dreiwege-Toggle-Switch konventionell angewählt und von generellen Volume- und Tone-Reglern (matched CTS Pots, Bumble Bee Kondensator) kontrolliert. Ein mattiertes Faux Tortoise Pickguard sorgt für den angemessenen Vintage Look.

Von Hand gewickelte P90-Pickups (Bild: Dieter Stork)

Alle Arbeiten an der Stinger unterwirft man bei Macmull dem selbstgesetzten RVT System (Real Vintage Tone), das für jedes Instrument individuell ausgesuchte Komponenten mit absoluter Passgenauigkeit fordert, um eine möglichst perfekte harmonische Abstimmung zu erzielen.

PERFEKTIONISTISCH GEFERTIGT – KLANGLICH WENDIG

So schön die RVT-Ambition auch ist, im Grunde entspringt der vielgeliebte und mit viel Mühe nachgeahmte Real Vintage Tone ja eher oberflächlicher Serienproduktion, ausgeführt durch lediglich angelernte Hilfsarbeiter. Da war damals in der Fertigung kalifornischer Prägung, die in diesem Fall ja Grundlage ist, also keineswegs Finesse oder besondere Widmung im Spiel. Natürlich aber freut es uns, dass heute, auf der Suche nach dem definitiven Ton, alle Anstrengungen unternommen werden, um den Schlüssel zu den tatsächlich oftmals (keineswegs immer) großartigen Sounds alter Instrumente zu finden.

Das Macmullsche Perfektionsversprechen wird auch bei der Stinger eingehalten, obwohl die Gitarre ja nicht den zuvor erstellten Remakes klassischer Designs folgt. Der wunderbar glattpolierte, ölversiegelte Hals mit idealtypischem Oval-C-Profil und sanft verrundeten Kanten fühlt sich nicht weniger als großartig an.

Maple Neck mit Griffbrett aus Madagascar Rosewood (Bild: Dieter Stork)

Das Griffbrett aus Madagascar Rosewood – näher kann man dem damals verbauten Riopalisander heute kaum kommen – lässt das Spiel auf den glänzend abgerichteten Bünden sofort zur Freude werden. Die lediglich 21 Bünde entsprechen dem Muster früher Schraubhälse. Was zunächst als zu streng Vintage-orientiert erscheinen mag, findet seinen praktischen Grund aber zum einen im leichtgemachten Zugang zum Stellstab über das Wheel am Griffbrettende und zum anderen in dem Wunsch, den Hals-Pickup zur optimalen Tonabnahme mit seinen Magneten unterhalb der zweiten Oberton-Oktave zu platzieren – da blieb in dieser Konstruktion schlicht kein Platz für den 22. Bund.

Aus der Kombination von Limba/Korina-Body und Ahornschraubhals leitet sich ein bemerkenswert vitales Klangbild ab – da weiß man sofort, dass Chefs am Werk waren. Der Ton kommt auch akustisch angespielt schon schnell, spritzig und pointiert. Transparent aufgespreizten Akkorden fliegen im langaushaltenden Abklang warme Mitten zu, was ihnen beste Substanz verleiht. Da freuen wir uns auf die elektrische Umsetzung:

Die hauseigenen, von Hand gewickelten und perfekt aufeinander abgestimmten P90-Pickups sorgen für ausgeglichene Klangübertragung mit den üblichen positionsbedingten Akzentierungen. Beim Durchwechseln mit klar eingestelltem Verstärker hören wir bestens gestaffelte Sounds mit brillant perlenden Akkorden. Die Bässe artikulieren knackig und perkussiv, Mitten und Höhen beeindrucken mit Präsenz und Offenheit. Dank einer bemerkenswert sensiblen Ansprache lässt sich der Ton mit dem Plektrum ausgesprochen dynamisch gestalten. Zudem ist die klangfarbliche Abstimmung schlicht großartig, die harmonische Rundung famos.

In der Abteilung Gain bis High Gain erreichen wir über diese Pickups ausgesprochen aufreizende Sounds mit perkussiv-nervöser Ansprache. Die Bässe zeigen dabei stets einen drahtigen Kern. Mit festem Anschlag tendieren sie gar ins knorpelige, was beim Hals-Pickup ein kompakt gefasstes dunkles Raunen und beim Kollegen am Steg einen kernig bissigen Twang aufruft. Wiederum ist die dynamische Gestaltungsbreite zu loben. Von sanftem Aufblühen der Note bis hin zu aggressiv vorspringendem Bellen reicht das Sprachvermögen.

Sehr schön schmelzen auch schärfere Zweiklänge ineinander. Trotz der eher crispen Höhendarstellung bleiben harsche Interferenzen im Rahmen. Wie könnte man dieses höchst präsente und doch gefasste Klanggebaren nennen? … kultivierte Aggression?

Souveräne Sounds sind in allen Schaltstufen wie selbstverständlich zu erzielen, wobei sich neben den charakterstarken Einzelschaltungen auch der Kombination beider Pickups ein ausgesprochen frisch abrollendes Klangbild abgewinnen lässt. Für die Arbeit mit dem Volume-Regler ist ebenfalls nur Gutes zu berichten, beim Zurückfahren bleibt dem Signal die Vitalität erhalten und sehr schön feinfühlig lassen sich damit z. B. auf kurzem Regelweg die Zerranteile dosieren. Das Versprechen auf definitive Feinabstimmung wird durch die gewonnenen Eindrücke in jeder Hinsicht bestätigt.

Eines noch: Hinsichtlich der individuellen Spieltechnik gilt es für den Interessenten die Position des Volume-Reglers zu beachten. In der Standardhaltung läuft die rechte Hand etwas unterhalb des Hals-Pickups und damit problemlos frei, bei bestimmten Schlagbewegungen oder Eigenheiten in der Handhaltung könnte der Reglerknopf aber auch im Weg sein.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Die Jungs von Macmull Guitars stehen für tief ergründete, ins Optimum verfeinerte Vintage Designs. Mit The Stinger gehen die israelischen Nerd-Luthiers nun einen Schritt weiter und fassen ihre gesammelten Erfahrungen in einem Crossover-Design nach eigenen Vorstellungen zusammen.

Ergebnis ist ein funktions- und klangstarkes Instrument mit jeder Menge Retro-Appeal, dem man aber einen durchaus eigenen Charakter zugestehen kann. Der samtig versiegelte Hals ist mit seinem überaus griffigen Oval-C-Profil in Verbindung mit der Premium-Bundierung ein Gedicht, gefolgt von der elektrischen Kraft und Dominanz, die das rundum toll klingende Set hauseigener handgewickelter P90-Pickups für den flexiblen Einsatz bereithält. Wer auf einen 22. Bund verzichten kann – weniger ist eben Vintage Retro – der findet in The Stinger einen Allrounder mit all den süchtig machenden tonalen Vorzügen, die den sagenumwobenen Reiz der frühen E-Gitarren ausmachen.

Zu feiern ist am Ende neben der minutiösen Fertigung, eleganten Handhabung und famosen Klangschöpfung auch der klar definierte Standpunkt, mit dem Macmull antritt: „Wir wollen, dass die Leute sagen: die Gitarre ist wirklich inspirierend!“ Das können wir bestätigen.

PLUS

  • stimmiges Crossover-Design
  • Holzauswahl
  • Ansprache/Schwingverhalten
  • ausgeglichene P90-Pickups
  • vitale Sounds
  • Hals-Shaping
  • Spieleigenschaften
  • Verarbeitung

MINUS

  • solistisch orientierte Spieler vermissen den 22. Bund

 

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2021)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Es ist sehr interessant und in höchstem Maße respektabel,daß sich mittlerweile bedeutend weniger,-bis noch gar nicht bekannte Gitarrenfirmen,bzw. Manufakturen aus bislang unbekannten Ländern (hier Israel) vorstellen,von denen wir Musiker nie vermuteten,daß ausgerechnet aus diesen Regionen schöne Gitarren entstehen können.

    Sicher,es gehört ganz viel Ehrgeiz,und noch bedeutend mehr an Energie dazu,innovative Ideen in die Tat umzusetzen.Und dies in einer Zeit,in der es aufgrund der enormen Fülle an durchaus guten und kostengünstigen Gitarren vornehmlich aus Asien nicht mangelt.Der globale Markt ist diesbezüglich zur Zeit total überschwemmt worden.Die einst etablierten Gitarrenfabrikanten großer Markenlabel werden ihre gewaltigen Einbrüche und weltweit stagnierenden Absatzzahlen ihrer Instrumente aus Gründen der Vertraulichkeit nie und nimmer offenbaren,dies ist einleuchtend,jedoch für die Gitarrenhersteller besonders bitter.

    Da paßt es doch sehr gut,daß endlich auch mal kleinere Label erfolgsversprechend mitmischen,und den ehemaligen Giganten deutlich zeigen,wie es auch ganz anders funktionieren kann!

    Mcmull Guitars scheint da mit seiner hier vorgestellten Solidbody E.-Gitarre mit dem Modellnamen „The Stinger“ das beste Beispiel zu sein,sehr schöne Gitarren zu fertigen,die entgegen der industriellen Massenfabrikation völlig andere Wege gehen!

    Ich vermute,dies wird zukünftig erfolgreich gelingen,da der Großteil der Gitarristen es nun in zweierlei Hinsicht endgültig satt hat,billige Massenprodukte aus Asien zu ordern,oder gar preislich völlig überzogene,so genannte „Custom Limited Edition Guitars“ speziell aus dem japanischen Raum zu kaufen,die trotz ihrer listigen Werbestrategie schlußendlich doch aus der maschinellen Fabrikation eines Serienherstellers stammen,die ohne CNC-Fräsen und modernster Hightech-Automatisierung durch industrielle Roboter bei der Fertigung überhaupt nicht mehr in der Lage sind, gewinnorientiert produzieren können.Ich verweise da mal sehr gezielt an einen sehr bekannten Gitarrenfabrikanten mit Hauptsitz in Japan,der damals in den Printmedien durch seine durchaus hochwertigen Gitarrenplagiate unter dem markanten Begriff „Pre Lawsuit Order“ weltweit in den Schlagzeilen stand,dann sämtliche Gerichtsprozesse der gigantischen Kläger verlor,und dadurch fast In den Ruin stürzte,sich jedoch auf recht wundersame Weise wieder rasch erholte,und schließlich,und kurioserweise für seine fairen Preis-Leistungsqualitäten erfolgreich war.Leider besteht dieser japanische Gitarrenfabrikant heute wohl leider ausnahmslos nur noch aus arroganten und total unfähigen Marketingassistenten,die weder besonders innovativ agieren,-noch den Wünschen,Verbesserungsvorschlägen,Tipps,Meinungen und berechtigten Kritiken ihrer einstigen Kunden zuhören.Ein Unternehmen,daß eine derartige „Geschäftspolitik“ betreibt,wird zukünftig kaum mehr von seinen Kunden beachtet werden,da es vermutlich keinen Gedanken daran „verschwenden“ wird.Heute,wie damals,gab,und gibt es absolut keinen Grund dafür,ein gigantisches Gitarrenunternehmen zu besitzen,und sich deshalb aus reiner Überheblichkeit gar nicht mehr im geringsten um die potentielle Notwendigkeit und Anliegen seiner Kundschaft bemühen zu müssen,nein,es ist noch viel wichtiger denn je,die Kundenbetreuung sehr ernst zu nehmen,und den gut gemeinten Ratschlägen besagter Käufer zu folgen.
    Merke: ein Fabrikant,der ausschließlich und vehement seine eigenen Interessen vertritt,und ein neues,völlig unfähiges und unerfahrenes Marketingteam beherbergt,befördert sich früher oder später zweifellos in den finanziellen Abgrund! Gut hingegen für die kleinen aufstrebenden Gitarrenmanufakturen,die es redlich verdienen,durch ihr Engagement und ihren Fleiß belohnt zu werden!

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  2. Was ein Gelaber – sowohl im Test als auch im obigen Kommentar!

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