Test: João Godinho P55 Custom

Mit acht Jahren bekam er die erste elektrische Gitarre geschenkt, mit zwölf baute er schon seine eigene. Godinho, mittlerweile 51 Jahre alt, hat fast seit vier Jahrzehnten Erfahrung mit Reparaturen, Modifikationen und dem Bau von akustischen und elektrischen Instrumenten gesammelt.
In Luxemburg, wo er seit 2004 lebt, ist er aufgrund seiner guten Arbeit ein Geheimtipp. Jaques Ruppert, der selber als Vater des Basswitch IQ DI bekannt ist, ließ sich von Godinho seinen Traumbass im Vintage-Stil bauen und ist so begeistert davon, dass er uns den P55 Custom für einen Test angeboten hat – auf dass nun auch ein breiteres Publikum auf diesen Instrumentenbauer aufmerksam wird.
WIRKLICH ALT
Grundsätzlich ist João Godinho offen für jeden Kundenwunsch, was in diesem Falle eine kompromisslose Vintage-Konzeption war. Das bezieht sich übrigens nicht nur auf die Grundform eines 1955erPrecision, sondern auch auf die Materialien selbst. Der fein geflammte Ahorn für den einteiligen Hals ist nämlich satte 60 Jahre lang abgelagert und stammt sogar, als nette Überraschung für den Besteller, aus dessen Dorf!
Natürlich kommt der Hals mit den stehenden Jahresringen ohne aufgeleimtes Griffbrett aus, die 20 schmalen Medium-Bünde sitzen direkt im Halsholz, während der Spannstab von hinten durch eine Fräsung eingesetzt wurde. Auf Wunsch von Jaques Ruppert wurde der Preci-Hals mit einem Reversed Headstock versehen, stilecht mit gealterten Vintage-Tunern von Gotoh bestückt. Und schließlich bekommt man nicht alle Tage eine hochglänzend polierte Schellack-Versiegelung geboten.

Ebenfalls mit handpolierter Schellack-Oberfläche präsentiert sich der dunkel eingefärbte Korpus, für den ausgewählt leichte Sumpfesche aus den US-Südstaaten verwendet wurde. Natürlich gehört auf ein solches Vintage-Projekt keine chromblinkende Hardware, und im authentischen Stil wurde hier ein vernickelter Blechwinkel-Steg mit zwei einstellbaren Messing-Saitenreitern für die Saitenpaare montiert, gründlich geaged wie auch das vernickelte Potifeld mit den beiden Knöpfen für Pegel und Tonblende.

Der Ur-Preci-Pickup sieht zwar altertümlich aus, beinhaltet aber eine moderne Zutat: Per Zugschalter im Tonblenden-Knopf lässt er sich von Singlecoil auf brummfreien Betrieb als Stacked Humbucker umschalten.
RESONANZ BETONT
Zeitgemäß sind zudem die gewählten Gurthalter, die wahlweise mit normalem Gurt oder mit arretierbaren Gegenstücken benutzt werden können. Und mit nur 3,7 kg kann sich der P55 in Komfortfragen durchaus mit modernen Leichtgewichten messen, der ausgewählten Sumpfesche sei Dank! Authentisch Vintage hingegen das Spielgefühl auf diesem kräftigen Preci-Hals, wozu auch die aufgespannten Flatwounds von LaBella passen.

Bereits ohne elektrische Verstärkung beweist der Godinho besondere Qualitäten, sein ungemein resonanter, holziger Charakter wird sogar von den obertonarmen Flatwounds eindrucksvoll in Szene gesetzt. Das kommt auch elektrisch voll rüber, der (wohl auch von Sting) verwendete 51-P-Bass-Stack von Seymour Duncan bringt den saftig knurrenden Grundton stilgerecht und mit erstaunlich tragkräftigem Tiefenfundament zur Geltung, wobei auch eine Art gewaltiger Kontrabass-Note mit einfließt und der tapsige Anschlags-Flomm der Flachdraht-Saiten angemessen mit eingeht.
Was will man von einem derart vollkommenen Vintage-Konzept besseres erwarten als einen großen Vintage-Ton? Den bekommt man jedenfalls in bester Güte geboten! Ein feiner Timbre-Unterschied ergibt sich zwischen dem authentischen Singlecoil-Sound und dem Humbucker-Betrieb, wobei sich letzterer in den Mitten einen Hauch aufgeräumter präsentiert.
RESÜMEE
In jeder Hinsicht hat João Godinho dieses Wunschinstrument perfekt auf den Punkt gebracht, von den hochqualitativen Hölzern über den geschmackvollen Aging-Charme mit noblen Schellack-Oberflächen bis hin zum ansprechenden Spielgefühl und den markanten Klangergebnissen – sogar die wirksam zu packende Höhenblende überzeugt mit molligen Volumen-Sounds und versetzt den Spieler im besten Sinne in gute alte Zeiten!
PLUS
● authentischer Vintage-Charme und Sound
● Hölzer, Verarbeitung
● Schellack-Oberflächen
● Spielgefühl
(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)
Der Bass sieht für mich schon besonders schön aus.
Der Lack passt gut zu dem Holz und sieht richtig schön neu aus. Warum dann die Mechaniken alt aus sehen müssen erschließt sch mir nicht. Ist halt Mode. Aber es beißt sich für mich. Hätte man sie matt messing- oder nickelfarben ohne Alterung gemacht wäre das Konzept für mich runder und noch schöner.