Music Man Sting Ray Bass
Der Sting Ray ist zweifellos ein echter Klassiker. Nur ganz wenige Bass-Designs haben sich noch besser eingeprägt als der Sting Ray, und sie haben bemerkenswerterweise den selben Vater. Leo Fender verkaufte bekanntlich 1965 seine Firma an CBS und hatte natürlich nicht vor, das Arbeiten dranzugeben. Bei der Gründung der späteren Marke Music Man war er 1972 dabei, wenn er auch wegen vertraglicher Bindungen erst 1975 offiziell Chef der Firma wurde.
Mit von der Partie waren die ehemaligen Fender-Leute Forest White und Tom Walker – das erprobte Team kannte sich auf dem Musikmarkt aus, was der neuen Marke dann auch schnell einen achtbaren Erfolg bescherte. 1976 ging ein Bass mit damals eher ungewöhnlichen Zutaten in Produktion, sozusagen der Vorreiter der aktiven Elektronik- Austattung. Ja, es gab auch vorher schon eingebaute Preamps und Klangregler, mit denen man den jeweiligen Frequenzbereich nicht nur dämpfen, sondern auch anheben konnte. Aber das waren exklusive Ausnahmen und teure Edelteile, die Massen hatte der „aktive“ Bass noch nicht erreicht. Music Mans Sting Ray Bass war das erste verbreitete Serien-Instrument mit aktiver Ausstattung.
Mehr Druck und Trotzdem klarer
Ich kann mich noch erinnern, wie ich auf einer Live-Session Ende der Siebziger zum erstenmal einen Sting Ray in die Hände gedrückt bekam. Waooou, das Ding hatte einen sagenhaft kraftvollen, klaren Ton und fühlte sich dabei ganz normal an. Man spielte darauf wie gewöhnt, aber alles klang irgendwie besser, hatte mehr Bass und war trotzdem durchsichtiger. Natürlich war ich begeistert, aber sooo billig war ein echter Music Man (falsche gab’s noch lange nicht) nun eben auch nicht und der Preis für mich völlig unerreichbar. Der Humbucker mit den fetten Alnico-Polstücken holt aus der typischen Leo-Fender-Holzkonstruktion ein straffes Pfund heraus; aufgrund seiner relativ stegnahen Platzierung haben Wummerbässe keine Chance. Die nachgeschaltete Aktiv-Elektronik pumpt den ohnehin kraftvollen PU-Sound zusätzlich auf, und diesen Druck konnten die normalen, noch fast durchweg passiven Konkurrenzbässe einfach nicht liefern. Lauter, bassiger, drahtiger präsentierte sich dieser Aktivbass, wobei etliche Musiker auch noch kräftig die EQ-Regler für Bässe und Höhen aufdrehten.
Im Band- Sound war das Ergebnis spektakulär, denn der Bass rückte mit seinem drahtigen Pfundston deutlich in den Vordergrund, ohne seine fundamentalen Pflichten zu vernachlässigen. Vor allem bei der Hardware finden sich einige Feinheiten, die man als Weiterentwicklung des bisher bekannten Bassdesigns von Leo Fender ansehen kann. Die Saiten werden beim Sting Ray von hinten durch den Korpus eingefädelt, was einen stärkeren Andruck auf die Steg- Saitenreiter erzeugt und einem gesunden, schwingstarken Saitenton zuträglich ist.
Die seitlichen Inbus-Schrauben, welche die Steggrundplatte auf den Korpus pressen, fassen gleichzeitig die Saitenreiter ein. Die fixierte Position stärkt den konkreten Attack und vermeidet Verluste bei Sustain und Obertonschwingungen. Auch am anderen Saitenende sorgt die Kopfplatte mit der charakteristischen 3+1-Anordnung der Stimm-Mechaniken für gleichmäßigeren Druck auf den Sattel. Durch konisch zur Kopfplatte hin zulaufende Wickelachsen zwingen die Mechaniken die Saiten zudem dazu, sich optimal aufzuwickeln. Wo bei Fender in die Chromkappe eingeklebte Schaumstoffstreifen zur Saitendämpfung herangezogen werden konnten, besitzt der Sting-Ray-Steg einzeln justierbare Moosgummi-Dämpfer – die freilich nur ein bestimmtes Spezial-Klientel je benutzte. Ohne Frage präsentierte sich Music Mans Sting Ray in den Siebzigern als modern durchdachter Bass, der die legendären Fender- Designs toppen sollte.
Sammler-Stücke
Die ersten Sting Rays wurden von Leo Fenders Firma CLF in Fullerton gebaut, bis er 1978 Music Man verließ und ein Jahr später G&L gründete. Die alte Firma verkraftete seinen Weggang nicht lange, zumal CLF wegen Streitigkeiten ab Ende 1979 keine Instrumente mehr lieferte. Die von Leo Fender gebauten Sting Rays wurden also nur drei Jahre produziert, und es spricht natürlich für das gelungene Design, dass dieser Bass in so kurzer Zeit so viel Aufsehen erregen konnte. Music Man wurde 1984 an den Saitenhersteller Ernie Ball verkauft. Womit dann die nächste Erfolgsgeschichte ihren Lauf nahm, denn der neue Besitzer hat den alten Designs noch einige Neuerungen und Varianten hinzugefügt, so dass der Name Music Man längst wieder groß im Geschäft ist und von vielen Bassisten geschätzt wird.
Die alten, noch von Leo Fender gebauten Sting Rays sind inzwischen zu gesuchten Sammlerstücken geworden. Sie erreichen zwar bislang nicht die exorbitanten Preise alter Jazz- Bässe und Precis, schließen aber merklich auf. Ernie Ball markierte die späteren Sting-Ray-Wiederauflagen mit seinem Namen im Logo, wodurch sich neue und alte Modelle leicht auseinander halten lassen. Bis zu 3000 Euro muss man für ein tadelloses Exemplar aus der „Pre Ernie Ball“-Fertigung heutzutage hinlegen.
Praxiswert
Wer einen gebrauchten Bass kaufen will, sollte in jedem Fall einen Blick längs der Halskante investieren, um später böse Überraschungen zu vermeiden. Denn es geht die Sage um, dass einige der ganz frühen Sting Rays Halsprobleme haben, und um sicher zu gehen, empfiehlt es sich im Zweifelsfall, auch die einwandfreie Funktion des Halsspannstabs überprüfen.
Unser Exponat stammt aus der ersten Serie, und sein einteiliger Ahornhals ist bis auf einen leichten, akzeptablen Knick am Übergang zum Korpus noch gut in Schuss und erlaubt eine günstige Saitenlage ohne Scheppern. Der vielfach gerissene Halslack verleiht dem Instrument einen abgelebten Relic-Charme, was den Nutzwert nicht beeinträchtigt, aber den Spieler inspirieren kann. Interessanterweise sind gerade die gesuchten Sting Rays der frühen Produktionsära mit der Dreipunkt-Halsbefestigung ausgestattet, die bei anderen Fender-Bässen so unbeliebt ist.
Dabei bietet diese wohldurchdachte Befestigungsart einen eindeutigen Vorteil, denn der Winkel zwischen Hals und Korpus lässt sich (nach leichtem Lösen der drei Befestigungsschrauben) durch eine Bohrung in der Halsankerplatte mit einem Inbusschlüssel einstellen – wo man sonst den Hals demontieren und mit Unterleg-Streifen arbeiten müsste. Da der Hals bei unserem Sting Ray recht genau in die Korpus-Frästasche eingepasst ist, darf man an ihm rupfen und zerren, er bewegt sich nicht. Ein Nachteil der Dreipunkt- Befestigung ist bei diesem Instrument nicht festzustellen.
Klanglich gibt sich das alte Stück frisch und kraftvoll wie eh und je, sein offen-drahtiger und gleichzeitig druckvoller Ton macht sich in jedem musikalischen Zusammenhang gut. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Hölzer unseres viel gespielten Exemplars jetzt fast 30 Jahre in Schwingung gehalten wurden; der Bass hat darunter nicht gelitten, sondern in manchen Nuancen gewonnen. Sein Klang ist von einer obertonreichen Luftigkeit und Geschmeidigkeit, die manchem neuen Bass zunächst noch abgehen wird. Ernie Ball hat mit den später gebauten Bässen das Original gewiss sehr genau getroffen, aber eines lässt sich eben nicht mit einem Neuinstrument ausliefern: 30 Jahre Band-Erfahrung.
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