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Die Gretchenfage: True Bypass

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Kommen wir in dieser Folge noch einmal auf die Gretchenfrage für Pedal-Nerds zurück: „Wie hast du‘s mit dem Bypass?“ Nach wie vor wird diese Frage in den einschlägigen Foren heiß diskutiert und auch anerkannte Effektgurus haben ihre durchaus widersprüchlichen Statements dazu abgegeben. Eine Lösung der Problematik ist nicht in Sicht, denn die unterschiedlichen Bypass-Arten haben ihre technisch bedingten Vor- und Nachteile.

Gut zu sehen: Der alte Phase 90 hatte nur einen Umschalter mit einer Schaltebene (SPDT). Damit ist weder ein True Bypass noch eine LED-Schaltung möglich.

Einig ist man sich eigentlich nur in einer Sache: Im Bypass, also in dem Zustand, wenn der Effekt ausgeschaltet ist, wird in der Regel ein neutraler und unbeeinflusster Klang gewünscht. Sprich, der Sound soll so klingen, als wäre gar kein Effekt zwischen Gitarre und Verstärker vorhanden. Und dieses Ziel versucht man vorrangig auf mechanischem oder elektronischem Weg zu erreichen.

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So schaltet ein Umschalter mit 2 Ebenen (DPDT)

Mechanisch …

Ein sogenannter True Bypass funktioniert in der Regel durch eine mechanische Umschaltung. Die Möglichkeit dies über ein Relais zu realisieren, lassen wir im Moment mal beiseite. Das heben wir uns für einen anderen Beitrag auf. Bei einem True Bypass werden sowohl der Eingang als auch der Ausgang der Effektschaltung durch einen mechanischen Schalter von der Ein- und der Ausgangsbuchse getrennt. Die beiden Buchsen werden im Bypass direkt mit einer Drahtverbindung zusammengeschlossen.

Das Signal umschifft dadurch die Effektgeräteelektronik völlig unbelastet. Dazu wird mindestens ein DPDT (Double Pole Double Throw)-Schalter benötigt, also ein Umschalter mit zwei Ebenen. Die eine Ebene schaltet den Eingang um, die andere den Ausgang. Wenn man zusätzlich eine LED schalten möchte, braucht man sogar einen 3PDT (Triple Pole Double Throw) Schalter, der drei unabhängige Ebenen verwaltet.

Bypass-Schaltungen, die mit einem SPDT-Schalter auskommen, arbeiten zwar auch mechanisch, realisieren aber keinen echten True Bypass, da entweder der Eingang oder der Ausgang des Pedals immer mit der Effektschaltung verbunden bleibt. Mit einem SPDT-Schalter kann ja nur eine Umschaltung vorgenommen werden. Durch die ständige Verbindung mit der Effektschaltung wird das Gitarrensignal belastet und verliert an Höhen und Dynamik. Außerdem können über diese Verbindung auch Störgeräusche aus der Schaltung in den Bypass-Sound einstreuen. Viele Effektgeräte der 60erund 70er-Jahre, z. B. von MXR oder Electro-Harmonix, ärgerten die Musiker mit diesem „Tone-Sucking“. In einem früheren Hot-Rod-Mod-Beitrag (Ausgabe 08/2015) haben wir das Problem ja bereits bei einem Cry-Baby-Wah-Wah gelöst.

Warum die Effektpioniere nicht schon damals echte True-Bypass-Schaltungen verwendeten, lag an der mangelnden Verfügbarkeit und dem hohen Preis der Mehrebenenschalter. Als 2PDT-Schalter erschwinglich wurden, hat man lieber eine Status-LED versorgt, statt den Eingang im Bypass von der Schaltung zu trennen. 3PDT-Schalter waren in den 70er- und 80er-Jahren noch kein Thema. Erst seit dem Boutique-Boom der 90er- Jahre, als Effektgeräte auch richtig teuer werden durften, kam der 3PDT-Schalter ins Spiel. Ein Qualitätsschalter mit 3 Ebenen kostete noch in den 2000er-Jahren ca. 15 Euro und damit gut das Dreifache von heute. Ein Preis, der dafür sorgte, dass der echte True Bypass vorerst den Boutique- Pedalen vorbehalten blieb. So wurde der True Bypass in den Augen der Konsumenten das Qualitätsmerkmal hochwertiger Pedale und wird bis heute als Verkaufsargument gerne herangezogen.

Ein Umschalter mit drei Schaltebenen war in den 90ern purer Luxus für Boutique-Pedale. Heute kostet er nur noch einen Bruchteil und findet sogar in billigster Massenware Verwendung.

Mit dem True Bypass werden positive Werte wie Signaltreue und unverfälschter Klang verbunden. Dabei hat er aber auch gravierende Nachteile. Durch das Zwischenschalten von Bodeneffektgeräten wird in der Regel die Kabellänge von Instrument zum Verstärker erhöht. Werden gar mehrere Bodeneffektgeräte verwendet und mit kurzen Patchkabeln verbunden, addieren sich die einzelnen Kabel gerne auf Gesamtlängen von 12- 15 m. Da aber jedes Kabel – so hochwertig es auch sein mag – das empfindliche hochohmige Gitarrensignal belastet, resultiert die Nutzung aufwendiger Effektsetups in einem Höhen- und Dynamikverlust, selbst (oder gerade dann) wenn man nur True Bypass-Geräte verwendet.

So schaltet ein 3PDT.

Außerdem stört beim Umschalten nicht nur das mechanische Knack-Geräusch, sondern manchmal auch sehr lautes elektronisches Ploppen. Nicht immer sind die Bemühungen, dieses Einschaltploppen mit den hochohmigen Pulldown-Widerständen zwischen Eingang und Masse in den Griff zu bekommen, erfolgreich. Eine True-Bypass-Schaltung verschlechtert das Signal also grundsätzlich nicht, kann aber auch nichts zur Verbesserung der Signalqualität beitragen. Impedanzverluste, Einstreuungen und Störungen werden gnadenlos weitergegeben.

… oder elektronisch

Die japanischen Massenhersteller wie Boss oder Maxon/Ibanez gingen in den 70er- Jahren einen anderen Weg. Statt mechanischer Schalter setzten sie auf Elektronik und statteten ihre Pedale mit einem Bypass aus, der zwar eine aufwendige Schaltung aus Transistoren, Widerständen und Kondensatoren benötigt, aber auch mit einem simplen Taster als mechanischem Bauteil auskommt. Dieser elektronische Bypass war kostengünstiger als ein mechanischer Mehrebenenschalter und trennte die Effektelektronik zuverlässig vom Bypass. Einschaltploppen und Störgeräusche waren und sind bei Boss- oder Ibanez-Pedalen kein Thema. Bei einem elektronischen Bypass durchläuft das Gitarrensignal auch im ausgeschalteten Zustand des Effektes aktive Bauelemente und meist auch eine einfache Verstärkerschaltung.

Selbst bei kleinen Pedalboards addieren sich die Kabellängen schnell zu 12 – 15 m. Wird auch noch ein Spiralkabel benutzt, ist die Höhen- und Dynamikdämpfung ungebufferter Signale vorprogrammiert.

Als Schaltelemente kommen hier Feldeffekttransistoren (FETs) zum Einsatz, daher wird der elektronische Bypass auch gerne als FET-Bypass bezeichnet. Die in der Umschaltung integrierte Bufferschaltung sorgt dafür, dass der Höhen- und Dynamikverlust bei Nutzung langer Kabelwege eingedämmt wird. Je nach Qualität der Bufferschaltung wird dies als positive Auffrischung des Signals oder aber als eine unerwünschte Klangänderung wahrgenommen. Auf jeden Fall aber wird das hochohmige Gitarrensignal, auch wenn der Effekt gar nicht aktiv ist, von dem Pedal niederohmig weitergegeben. Beworben wurden die elektronischen Bypass-Schaltungen damals übrigens lediglich damit, dass sie ein lautloses Umschalten ermöglichen. Die Klangauffrischung, bzw. die Impedanzwandlung wurden in den 70er- und 80er-Jahren noch nicht thematisiert. Der elektronische Bypass entwickelte sich durch die japanischen Massenhersteller zum Standard und da man davon ausgehen konnte, dass auch bei umfangreichen Pedalboards mindestens ein Gerät mit elektronischem Bypass genutzt wurde, war das Signal eigentlich immer „gebuffert“.

Die drei grundsätzlichen Bypass-Arten im Überblick.

Nachdem in den 80er-Jahren Rack-Systeme mit ganz eigenen Problemen im Mittelpunkt des Gitarristen-Interesses standen, kam ab den 90er-Jahren die Rückbesinnung auf den reinen und ursprünglichen „Ton“. Pedale erlebten eine Renaissance und Aufwertung durch den Zusatz „Boutique“. Mit zunehmender Bereitschaft der Gitarristen, viel Geld in hochqualitative Produkte zu investieren, nahm die Bereitschaft ab, klangliche Nebeneffekte zu tolerieren. Nicht jeder will eine Gratis-Bufferung, die bei den japanischen Massenherstellern üblich ist. Erst recht nicht, wenn der Buffer deutliche Klangveränderungen hervorruft. Einige Pedale sind wegen ihres klangverändernden Bypasses in den einschlägigen Kreisen sogar regelrecht verrufen. Das trifft z. B. auch für den Boss SD-1 zu, den wir daher in der nächsten Folge auf True Bypass umbauen wollen.

Unter der Batterieklappe verbirgt sich bei Boss ein simpler Taster. In unzähligen Pedalen bewährt, schaltet er zuverlässig den FET-Bypass.

Aus Gitarre & Bass 02/2017

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Der Umbau auf True Bypass ist bei den Boss-Gehäusen ja schon ein ziemlich weitgehender Eingriff, sowohl elektronisch als auch mechanisch. Als Alternative würde ich, wenn es nur um Höhenverlust durch zu niedrige Eingangsimpedanz geht, einen Impedanzwandler davorschalten, also direkt hinter die Eingangsbuchse und noch vor die Schaltmimik des Gerätes. Ein einfacher FET- oder OpAmp basierter Wandler dürfte bei externer Stromversorgung des bossgerätes problemlos in das dann quasi unnütze Batterifach passen. Ist nicht als Kritik am Artikel gemeint – aber da hier ja schon erwähnt wird, dass jeder der verschiendenen Bypass-Varianten ihre eigen Vor- und Nachteile haben, kann man ja auch mal einen “anderen” Weg einschlagen, der die Vorteile der Boss- und Ibanez-Schaltungen, insbesondere das prinzipiell knackfreie Schalten, beibehält. Ausserdem hat man mit der Variante direkt einen Line Buffer für’s Pedalboard. Das wäre mein Vorschlag für eine der nächsten Ausgaben;-)
    Gruß!

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