Comeback mit Abschied:

Runrig-Bassist Roderick Rory Macdonald im Interview

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Es ist Comeback und Abschied in einem: ,The Story‘, das erste Album der schottischen Rock-Institution Runrig seit neun Jahren, ist zugleich ihr letztes. Fünf Dekaden Musikgeschäft, so Bassist und Gründungsmitglied Roderick Rory Macdonald (66) beim Gitarre-&-Bass-Interview im nasskalten Glasgow, seien mehr als genug. Und: Es gebe keinen besseren Schlusspunkt als ein richtig starkes Spätwerk. Wo er Recht hat, hat er Recht.

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(Bild: ©Matt Liengie Photography 2015)

Den Beweis erbringen Runrig im Studio des Edel-Hifi-Anbieters Linn – auf einer imposanten 150.000-Euro-Anlage, die jedes Klang-Detail der atmosphärischdichten Musik offenbart und zeigt, wie perfektionistisch und komplex die Schotten auf ihrem 14. Studio-Album sind. Denn neben der bewährten Mischung aus elegischen Balladen und opulenten RockSongs, die auch schon mal auf Gälisch daherkommen und die Geschichte, die Mystik sowie die Schönheit des nördlichen Großbritanniens behandeln, sind Runrig auch eine moderne und extrem ambitionierte Band. Sie schwören auf einen cineastischen Breitwand-Sound mit vielseitiger Instrumentierung und schrecken weder vor Orchester-Arrangements noch Chören, geschweige denn Dance-Beats zurück. Eine reife Leistung, die zugleich mehrere Fragen aufwirft.

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Rory, euer letztes Album ,Everything You See‘ datiert von 2007. Warum hat es so lange gedauert, einen Nachfolger an den Start zu bringen?

Roderick Rory Macdonald: Es ist mir ein bisschen peinlich, das zuzugeben, aber danach haben wir hier in Schottland ein Open-Air-Festival nach dem anderen organisiert – erst in Loch Ness, dann auf Scone Castle und schließlich Muir of Ord zum 40. Band-Jubiläum. Das waren große Veranstaltungen, und die vernünftig zu planen, hat viel Zeit und Energie gekostet. Wobei wir den Fehler begangen haben, uns da vielleicht ein bisschen zu sehr einzubringen. Sprich: Wir sind sehr anspruchsvoll in dem, was wir tun – und zugleich nicht besonders gut darin, zu delegieren. (lacht) Deshalb haben wir uns damit ein bisschen länger aufgehalten.

 

Ihr habt euch also darin verzettelt?

Roderick Rory Macdonald: In der Tat! Wobei wir aber ständig über ein neues Album gesprochen haben. Im Sinne von: Wir hatten das sehr wohl auf dem Schirm und haben uns viele Gedanken gemacht. Eben wen wir als Produzenten verpflichten sollten, welchen Ansatz wir damit verfolgen, wie die Songs ausfallen könnten, usw. Nur, wir haben das immer zurückgestellt, weil die Live-Shows so gut liefen. Bis jemand meinte: „Ihr wisst schon, dass es langsam Zeit für etwas Neues wird, oder?“ Also fingen mein Bruder Calum und ich an zu schreiben.

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(Bild: MATT LIENGIE, THOMAS BRILL)

Wann habt ihr beschlossen, dass ,The Story‘ euer Abschieds-Album wird?

Roderick Rory Macdonald: Das hat sich während des Schreibens abgezeichnet, als deutlich wurde, dass etliche Stücke so etwas wie einen Abschluss darstellten. Was soweit ging, dass Calum und ich sagten: „Das klingt wirklich so, als ob es unser letztes Album wäre – gerade was die Texte betrifft.“

Aber kannst du diese Band, die du 1973 gegründet hast, einfach so aufgeben?

Roderick Rory Macdonald: Nein, und deshalb werden wir weiterhin live spielen. Ganz abgesehen davon, halte ich den Schritt auch nicht für einen Fehler oder für vorschnell. Ich finde, man muss ehrlich zu sich selbst sein. Zumal wir das schon seit 43 Jahren und 14 Alben machen. Man kann das ja nicht ewig fortsetzen … Die Musikindustrie hat sich gewaltig verändert. Obwohl ich sagen muss: Wir haben da eigentlich ein Riesenglück. Denn wir besitzen eine loyale Fan-Gemeinde, die uns seit Jahren begleitet und immer noch CDs kauft. Also definitiv keine Streams und keine Downloads – was eine einmalige Sache ist, für die wir sehr dankbar sind. Eben dass sie das physische Produkt bevorzugen.

Bryan Adams hat unlängst erklärt, dass er für seine Alben, die sich millionenfach verkauft haben, einen Scheck über gerade Mal 2400 Dollar von Spotify erhalten hat…

Roderick Rory Macdonald: Oh wow!

Ist das nicht unfassbar?

Roderick Rory Macdonald: Das zeigt, dass da etwas fürchterlich falsch läuft. Also dass Kreativität und Kunst nicht honoriert werden, sondern dass Musik als eine vergängliche und beliebig austauschbare Ware erachtet wird. Wobei sich die meisten Konsumenten solcher Portale eh nur noch Tracks runterladen, aber nicht komplette Alben. Unser Repertoire ist da zwar ebenfalls vertreten, aber die meisten unserer Hörer kaufen immer noch richtige CDs – genau wie ich. Denn ich mag keine Downloads. Erst mal was diesen anonymen, technischen Prozess betrifft, aber auch die Klangqualität ist längst nicht so gut, wie sie sein sollte. Was mir aber am meisten fehlt, ist das Haptische – ein Cover mit Lyrics, Fotos, etc. Weshalb wir ,The Story‘ in der Form eines Buchs veröffentlichen, um dem Ganzen etwas Besonderes und Nachhaltiges zu verleihen. Mal abgesehen davon, dass die Songs etwas von einer Geschichte, von einem abschließenden Kapitel haben. Insofern passt die Buchform hervorragend zur Musik, und wir erachten das als ein künstlerisches Gesamtpaket. Da kann Spotify natürlich nicht mithalten. Mehr noch: Wir sind dort irgendwie fehl am Platz.

Spricht da der Grafik-Designer in dir?

Roderick Rory Macdonald: (lacht) Oh ja, der ist immer noch lebendig.

Bedauerst du es, dein Studium nie beendet zu haben?

Roderick Rory Macdonald: Nicht im Geringsten. Ich habe mich damals für Runrig und die Musik entschieden – weil ich zeitlich nur eins von beidem hinbekommen habe. Und ich muss sagen, dass ich diese Entscheidung nie bereut habe. Ich hatte eine tolle Karriere, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte – und das über fünf Dekaden.

Runrig (Schottische Folk-Band)
Runrig (Schottische Folk-Band) (Bild: Thomas Brill)

Auf den meisten Live-Fotos sieht man dich mit einem Fender Jazz Bass. Spielst du den auch auf dem neuen Album?

Roderick Rory Macdonald: Da benutze ich in erster Linie einen Fender Precision Bass. Was ich Brian, unserem Keyboarder, verdanke. Er meinte bei den Proben: „Könntest du dir vorstellen, diese Songs mal ganz anders anzugehen als sonst?“ Und ich habe ihm den Gefallen getan und bewusst weicher gespielt, was mir irgendwie merkwürdig und seltsam vorkam. Zumindest am Anfang. Dafür habe ich dann den Precision Bass benutzt, weil er sich besser dafür eignet. Und ich war überrascht, wie sich das im Studio auswirkte – also wie groß und kräftig der Sound trotzdem war. Ich meine, wir haben immer einen mächtigen Sound, aber mir war halt nie klar, dass er sich auch mit weniger körperlichem Einsatz erreichen lässt. Dass man gar nicht so aggressiv und physisch spielen muss, wie ich das in der Vergangenheit getan habe. Das war eine neue Erkenntnis für mich – und eine sehr überraschende.

Was machst du jetzt auf der Bühne – hast du diesen neuen Ansatz auch für die Live-Performance übernommen?

Roderick Rory Macdonald: Nein, da mache ich alles wie bisher. (lacht) Einfach, weil das ein ganz anderes Tier ist und diese Art von energetischem Spielen halt dazu gehört. Ganz ohne geht es dann doch nicht.

Und da kommt der Jazz Bass zum Einsatz?

Roderick Rory Macdonald: Ja, wobei ich aber auch lange einen Wal hatte. Und das Teil habe ich sehr gerne gespielt – bis ich mich in einen Music Man verliebt habe. Ein tolles Instrument, auf das ich auf der Bühne ebenfalls gerne zurückgreife. Das war purer Zufall: Ich habe halt über die Jahre alles ausprobiert, was mir in die Finger gekommen ist, und einiges davon fand ich toll, anderes nicht so sehr. Was Amps betrifft, habe ich mich zum Beispiel relativ früh auf den Ampeg festgelegt – und bin dabei geblieben. Einfach weil ich diesen großen, kantigen Sound mag, der im wahrsten Sinne des Wortes Eier hat. Aber der gleichzeitig auch eine brauchbare Tiefton-Basis liefert, das berühmte Bottom End eben – und dar- über dieses leichte, metallische Klicken. Ein Sound, den ich wahnsinnig mag.

Woher rührt das aggressive Spielen auf der Bühne? Hast du neben deinen Folk-Wurzeln etwa noch Punk-Einflüsse?

Roderick Rory Macdonald: Oh, ich liebe Bands wie The Clash, keine Frage. Und Paul Simonon zählt zu meinen absoluten Lieblingsbassisten. Nicht so sehr in Sachen Technik, aber definitiv in Bezug auf seine Attitüde und seine Performance. Die waren unnachahmlich. Wobei ich aber viele unterschiedliche Arten von Musik liebe. Also jetzt nicht so sehr Jaco Pastorius, weil mir das zu weit geht und ich garantiert kein Virtuose bin. Das habe ich auch nie von mir behauptet. Ich mag es simpel und bodenständig. Mitunter auch ziemlich minimalistisch – und wenn ich mal einen Lauf einschiebe, dann muss der eben genau an der richtigen Stelle sein. Im Grunde ein sehr unaufdringlicher, dezenter Ansatz.

Gab es so etwas wie eine Initialzündung – einen bestimmten Moment, der dich zum Bassisten gemacht hat?

Roderick Rory Macdonald: Im Grunde hatte das allein praktische Gründe. In unserer allerersten Besetzung, als wir noch die Run Rig Dance Band waren und primär auf Tanzveranstaltungen bei uns zu Hause gespielt haben, war ich noch der Lead-Gitarrist. Was aber auch schon elektrisch war – trotz traditioneller Folk-Songs. Als wir dann anfingen, ein paar Rock-Songs in unser Set einzubauen, bin ich allerdings relativ schnell an meine Grenzen gestoßen. Weshalb ich an den Bass gewechselt bin, während Donnie die akustische Gitarre übernahm. Eben eine zwölfsaitige 60s-Gitarre mit diesem Byrds-Sound, diesem Jingle Jangle-Ding.

Ich habe dann halt mein „dum-dum-dum“ dazu beigesteuert. Also Kram, der eher hintergründig passierte, aber gut zu diesem Folk-Stil passte. Und ich würde sagen, wir waren so etwas wie die folkigen Eagles, eben ohne Lead-Gitarre. Bis wir uns entschieden: „Hey, wir brauchen doch ein bisschen mehr. Wir brauchen einen richtigen Lead-Gitarristen.“ Und das sollte dann entweder ich sein oder jemand Neues, den wir an Bord holen wollten. Nur: Mir hat der Bass viel zu gut gefallen, um mich davon zu trennen. Weshalb wir dann Malcolm engagiert haben, der ohnehin ein viel besserer Gitarrist war als ich. Damit war die Sache gegessen.

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Print (Bild: MATT LIENGIE, THOMAS BRILL)

Außerdem scheint dir der Bass den nötigen Raum zum Singen zu geben, oder?

Roderick Rory Macdonald: Das kommt noch hinzu – er macht es leichter, beides miteinander zu verbinden. Denn bis zu einem gewissen Grad musst du dein Bassspiel ja diesen Gegebenheiten anpassen – weil du viele Sachen einfach nicht machen kannst, während du gleichzeitig singst. Das ist so – oder zumindest geht es mir so.

Wie viele Bässe besitzt du?

Roderick Rory Macdonald: (lacht) Da muss ich dich enttäuschen: Es ist längst nicht so viel Kram, wie man nach so vielen Jahren in diesem Geschäft vermuten würde. Und um ehrlich zu sein, habe ich auch mehr sechssaitige Gitarren als Bässe. Was damit zu tun hat, dass ich eher auf der Gitarre als auf dem Bass schreibe. Über die Jahre waren es vielleicht zwei Songs auf dem Bass, der Rest ist auf akustischen und elektrischen Gitarren entstanden. Und als Calum und ich vor ein paar Jahren unser Nebenprojekt gestartet haben, die Band From Rockall, habe ich zum ersten Mal sämtliche elektrische Gitarren übernommen. Ich habe da meinen geballten Lead-Gitarristen-Frust ausgelebt und das wirklich sehr genossen. Schließlich bin ich ein großer Fan von Hank Marvin von den Shadows und von Duane Eddie. Das sind meine Helden – eben mit diesem wunderbaren Twang­-Sound: Dong-dong-dong-dong!

Den Hank Marvin auf der Fender Stratocaster erzeugt hat?

Roderick Rory Macdonald: Und auf der Gretsch. Er hat eine Gretsch Country Gentleman gespielt – eine tolle Gitarre. Ich habe mir auch eine davon zugelegt – eine ziemlich alte. Ich habe sie einem Typen abgekauft, den ich in einem Studio in Glasgow getroffen habe. Er ist ein bekannter Sammler. Und als ich mir eines Tages ein paar von den Teilen angeschaut habe, die da von ihm rumstanden, war auch eine braune Gretsch dabei – dieselbe, die George Harrison bei den Beatles gespielt hat. Er meinte: „Ich denke darüber nach, das Teil zu verkaufen …“ Das hat er getan – an mich. (lacht) Worüber ich heilfroh bin. Und dann hat er mir noch eine White Falcon angeboten. Ebenfalls eine wunderbare Gitarre. Aber als ich mich endlich dazu durchgerungen hatte, da zuzuschlagen, war sie leider schon weg. Womit mich Malcolm bis heute aufzieht – eben dass ich nicht spontan genug wäre, um bei solchen Schätzen zuzuschlagen. Also so, wie er das tut. Er ist einer dieser Sammler, die nie genug kriegen.

Ein Süchtiger?

Roderick Rory Macdonald: Oh, er ist total süchtig nach Gitarren! Und er hat eine riesige Sammlung, weil er alles kauft, was ihm in die Quere kommt. Weshalb er auch immer sagt, dass er damit aufhören muss, aber das scheint nicht so einfach zu sein. Sobald er in einem Laden oder auf eBay etwas Interessantes sieht, schlägt er zu – und hinterher bereut er es. Aber auf diese Weise hat er halt ein paar tolle Gitarren zusammengetragen.

Ist es nicht irre, was Gitarren aus deiner Jugend heute wert sind?

Roderick Rory Macdonald: Das ist der Wahnsinn! Ich meine, hätte ich das gewusst, hätte ich schon in den 70ern alles aufgekauft und eingelagert. Aber das war ja nicht abzusehen. Ich habe erst vor Kurzem eine Watkins Rapier gesehen, eine Fender-Kopie von einer britischen Firma aus den 60ern. Denn die Strats gab es lange Zeit nur in Amerika, und es konnte sie sich auch kaum jemand leisten, weil sie so teuer waren. Ich denke, Hank Marvin war der erste britische Gitarrist, der so ein Teil importiert hat.

Die berühmte pinkfarbene Fender?

Roderick Rory Macdonald: Richtig! Das muss die allererste gewesen sein, die auf europäischem Boden zum Einsatz kam. Weshalb Watkins eine Marktlücke erkannte und diese offensichtliche Kopien produzierte – die Watkins Rapier, die sehr günstig und vor allem überall erhältlich war. Von daher haben dann auch viele Leute so ein Teil gespielt. Wie der Gitarrist in meiner ersten Schülerband. Und ich muss sagen, dafür, dass sie so günstig war, hat sie echt gut ausgesehen und der Sound war auch nicht schlecht. Also durchaus vergleichbar mit der Strat. Und der Witz ist, dass sie nun selbst richtig teure Sammlerstücke sind. Insofern: Hätte ich mal den richtigen Riecher gehabt und entsprechend zugeschlagen, dann … Hahaha!

Produkt: Fender Stratocaster
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