Meilenstein 1985:

Pete Townshend & White City

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Die Karriere der Brit-Rocker The Who geriet zu Beginn der 80er-Jahre ins Stocken. Was sicher auch eine Spätfolge des Verlustes von Who-Drummer Keith Moon war, der am 7. September 1978 an den Folgen einer unbeabsichtigten Medikamentenüberdosis starb. Besonders Pete Townshend, Gitarrist und Haupt- Songwriter von The Who, konzentrierte sich damals auf eine Solo-Karriere.

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45 Jahre wegweisend: Master Of Reality (Bild: SPVMALCOLM HEYWOOD, UNIVERSAL/FABRICE DEMESSENCE)

Bereits 1972 hatte er erstmals ,Who Came First‘ unter seinem Namen veröffentlicht. Zwischen 1980 und 1983 erschienen drei LPs und zahlreiche Singles. Diese Serie wurde im November 1985 fortgesetzt mit ,White City – A Novel‘, das sicher einige der stärksten Kompositionen aus Townshends Solokarriere bot. Das Album beginnt mit einer düsteren Klang-Collage im pumpenden Herzschlag- Rhythmus, die an Pink Floyd erinnert. Darüber schiebt sich eine mit Delay angereicherte Gitarre und ein knackiger Beat treibt ,Give Blood‘ nach vorne. Und schließlich wandelt sich alles zu einem hymnischen Pop- Song mit viel Pathos, in dem satte Bass-Noten mit Fretless-Charakteristik färben. Townshend veranstaltete im Studio ein Schaulaufen der populären Session-Musiker der 80er-Jahre; u.a. sind Steve Barnacle, Pino Palladino, Tony Butler, Chucho Merchán und Phil Chen auf diesem Album zu hören.

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Pete Townshend mit Schauspieler Andrew Wilde (Bild: SPVMALCOLM HEYWOOD, UNIVERSAL/FABRICE DEMESSENCE)

Ebenfalls mit einem sehr coolen Bass-Lauf startet eine weitere zentrale Nummer des Albums. Das schnelle ,Face The Face‘ wird von Bläsersätzen befeuert. Hier hatte Peter-Hope-Evans seinen großen Auftritt: seine angezerrte Blues-Harp kontrastiert immer wieder den modernen Gesamt-Sound. Und schließlich spielte Simon Phillips einen swingenden Groove, den man sicherlich zu den markantesten des Jahrzehnts zählen kann. Zu den weiteren Höhepunkten gehört das bluesige ,Second Hand Love‘ mit seinen hypnotischen Klavier-Akkorden. Richtig scharf kommt das kantige Gitarren-Solo, das mit seinem Wechsel aus ultraschnell wiederholtem Einzelton und bluesigen Licks die Handschrift von Townshend verrät. Eine Pop-Nummer wie ,I Am Secure‘ ruft mit mäandernden Keyboards Erinnerungen an den The-Who-Hit ,Won‘t Get Fooled Again‘ wach.

Nach theatralischem Auftakt wandelt sich das Stück in eine Akustikgitarren- Ballade. ,White City Fighting‘ treibt nach balladeskem Beginn mit einem scharfen Gitarren-Thema rockig nach vorne. Und Townshends Gesangslinien bleiben einmal mehr in den Gehörgängen stecken. Bei diesem Song spielt David Gilmour (Pink Floyd) nicht nur Gitarre, er hat ihn auch mitgeschrieben. In einigen Live-Mitschnitten mit Townshend spielt Gilmour auf einer für ihn obligatorischen Fender Stratocaster. Auch Townshend sieht man hier mit Fender-Stratocaster- Modellen und auch Flattop-Akustikgitarren. ,White City – A Novel‘ ist durchaus ein typisches Album für die 80er-Jahre, das getragen wird von vielen Keyboards und „sauberen“ Gitarren-, Bass- und Drums-Sounds, die im Gesamtbild ausgewogen platziert wurden. Von Puristen wurde dies auch gerne mal als steril bezeichnet, aus heutiger Sicht beeindruckt aber gerade dieser ausgefeilte Klang, der einen sehr eigenen Retro-Charme ausstrahlt. Keine Frage, Punk-Godfather Pete experimentierte im Jahrzehnt von Prince und Michael Jackson viel und wirkte gerade auf diesem Album inspiriert. Letztlich nutzten viele Helden der 60er/70er die Recording-Innovationen der 80er, um sich neu zu erfinden, wie etwa auch David Bowie mit ,Let‘s Dance‘.

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Pete alone: Townshend mit Acoustic (Bild: SPVMALCOLM HEYWOOD, UNIVERSAL/FABRICE DEMESSENCE)

Beim Hören all dieser starken Songs geht ein wenig unter, dass sie eigentlich Teil eins des Konzept-Albums sind, dass sich in einer losen Handlung um die schwierigen Lebensumstände in einer heruntergekommenen Wohnsiedlung im West- Londoner Stadtteil White City dreht. Ergänzend zum Album entstand unter der Regie von Richard Lowenstein der 60-minütige „White City: The Music Movie“, der noch im selben Jahr als eine Art „Longform Video“ veröffentlicht wurde. Er verknüpfte in lockerer Form einige Songs des Albums mit teils surreal verfremdeten Großstadt-Impressionen und Episoden aus dem Leben von Jimmy (gespielt von Andrew Wilde) in der White City, wobei er stets begleitet wird von seinem alten Kumpel Pete (Townshend). Insofern ist der Komponist der Rock-Opern ,Tommy‘ und ,Quadrophenia‘ auch 1985 seiner Vorliebe für Konzept- Alben treu geblieben. Und auch immer wieder seiner alten Band: Im September 2016 tritt er mit The Who u.a. in Deutschland und Österreich auf.

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