Meilenstein 1983

David Bowie, Stevie Ray Vaughan & Let’s Dance

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Nein, nein, nein – und auch wenn alle enttäuschten David-Bowie-Fans und Stevie-Ray-Vaughan-Anbeter dieses Planeten immer noch und immer wieder anderer Meinung sind: ,Let’s Dance‘ war und ist kein Mainstream-Album! Natürlich ist diese Musik Pop pur – keine Frage, und für Bowie war das zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich die Produktion seiner Karriere, die den damaligen Zeitgeist – Dance/Disco – am deutlichsten reflektierte.

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(Bild: CAPITOL EMI)

Aber das eben auf eine sehr eigene Art, mit einer Musik voller Widersprüche, die bekannte Sound- und Groove-Bausteine mit ganz untypischen Materialien verband und kontrastierte. Und das unterscheidet eben in der Regel originelle Musik vom Mainstream …

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(Bild: CAPITOL EMI)

Eingespielt wurden die Songs, um die es hier geht, im Dezember 1982 im legendären Power Station Studio in New York – und am 14. April 1983 war es dann so weit: ,Let’s Dance‘ war im Handel, und an der Musik dieses 15. Bowie-Studio-Albums kam ein halbes Jahr lang kein Mensch mit Ohren vorbei: Als Anheizer war bereits Mitte März die Single ,Let’s Dance/Cat People (Putting Out Fire)‘ erschienen, es folgte im Mai der Mega-Hit ,China Girl/Shake It‘, und im Herbst − zur laufenden Welt-Tour − wurde mit ,Modern Love‘ und ,Without You‘ nachgeheizt, Letztere hatte mit ,Criminal World‘ als B-Seite einen zweiten Hit.

Das Rezept all dieser Songs, das dem gesamten Album zugrunde liegt, heißt „Reibung“! David Bowie und sein Co-Produzent und Rhythmus-Gitarrist Nile Rodgers mixten einfach aus den Zutaten Bowie-Band, Dance-Groove, Funk-Bass, R&B-Bläsern und einer BluesGitarre einen Cocktail, der absolut aufregend weil einzigartig war. Und damit sind wir endlich zurück in unserer Gitarrenwelt, denn neben Bassist Carmine Rojas und bei einem Track Bernard

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(Bild: CAPITOL EMI)

Edwards sowie dem bereits genannten Nile Rodgers an der Funky-Gitarre, war es vor allem der damals 28-jährige Stevie Ray Vaughan, der Rocker, Blues-Fans, Hendrix-Freunde und Texaner förmlich in die neuen Bowie-Songs reinzog und faszinierte. Oft gegen alle, in vielen Jahren gewachsenen Überzeugungen. SRVs rauer Ton, seine Licks in diesen PopArrangements, bei denen aber auch die Bläser schon mal total ausflippten und wie in ,Let’s Dance‘ eine kleine Free-Jazz-Orgie feierten, das alles war absolut neu und ungewohnt. Und vor allem so gar nichts für dogmatische Blues-Polizisten.

Bowie hatte Stevie Ray Vaughan, der damals ganz am Anfang seiner Karriere stand, im Sommer 1982 beim Montreux Jazz Festival in der Schweiz kennengelernt und ihm angeboten, bei seinem geplanten Album die Lead-Gitarre zu übernehmen. Für den Blues-Rocker Stevie Ray Vaughan, der nach eigenen Angaben zu dem Zeitpunkt mit Bowies Musik „nicht sehr vertraut“ war, war das eine Reise in komplett unbekanntes Terrain.

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(Bild: CAPITOL EMI)

Während Stevie Ray Vaughan im Anschluss an ,Let’s Dance‘ nach einem sehr kurzen Zwischenspiel als Bowies Tour-Gitarrist seine Solokarriere vorantrieb, hatte sein Mitentdecker es nach diesem Pop-Mega-Hit nicht einfach. Live knüpfte der eingesprungene Lead-Gitarrist Earl Slick wieder an seine eigene db-Vorgeschichte an, womit die genialen SRV-Licks des Albums fast keine Rolle mehr spielten; und auch Carlos Alomar ist eben nun mal ein komplett anderer Rhythmusspieler als Nile Rodgers. Und die nächsten Alben ,Tonight‘ (1984) und ,Never Let Me Down‘ (1987) kamen dann auch noch einigermaßen müde rüber; ironischerweise machte der zum Dance-Popstar mutierte Verwandlungskünstler Bowie erst ab 1989 mit der rauen, grungigen Band Tin Machine wieder Boden bei seinen Fans und der Kritik gut. Ein echter Alleskönner, bis heute.

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(Bild: CAPITOL EMI)

Noch eine Anmerkung zu Vaughans Job als Gitarrist in Bowies Tour-Band: Die Angaben hierzu variieren; am sichersten erscheint die Variante, dass das SRV-Management Einspruch erhob und seinen Mandanten zurückpfiff um sein Solo-Album ,Texas Flood‘ zu promoten, dass während der geplanten Tour erscheinen sollte. Der Plan, Stevie Ray im Vorprogramm der gesamten Welt-Tour unterzubringen, war ebenfalls gescheitert, für die europäischen Shows hatte er allerdings eine Zusage. Außerdem mischte Vaughans Lebensgefährtin Lenny in dieser Phase oft bei Business-Entscheidungen mit, und sie soll einige fragwürdige Auftritte bei Bowie und den anderen Musikern gehabt haben, die das Verhältnis der Band zu Stevie Ray belasteten.

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Die Serious-Moonlight-Live-Band: ganz hinten Earl Slick, Carmine Rojas, Bowie und Carlos Alomar. (Bild: CAPITOL EMI)

Es existieren Mitschnitte von Proben der Bowie-Band mit Stevie Ray Vaughan, die neben ein paar kurzen, spielerischen Highlights allerdings überwiegend vermitteln, dass da was nicht passte. Für mich ist die o.g. Reibung des Pop-Albums an der Blues-Gitarre bis heute eine geniale Sache, ein Meisterwerk. Mit der Live-Band scheint das nicht funktioniert zu haben, da hakte es schon auf der rein musikalischen Ebene …

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(Bild: CAPITOL EMI)

Als ich am 15. Juni 1983 zum ersten Mal David Bowie live sah, im Bochumer Ruhrstadion – ohne Stevie Ray Vaughan – war das SRV-Debüt ,Texas Flood‘ gerade zwei Tage alt. Da ahnte noch niemand, dass es der Beginn einer dieser traurig endenden Rock-Legenden war – Vaughan starb am 27. August 1990 bei einem Helikopter-Abstrurz. In der Bowie-Band rockte mit Earl Slick dafür einer der 70s-Überlebenden. Er war auch noch auf David Bowies Album ,The Next Day‘ zu hören. Große Musiker.

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