Solo, Sideman, Trio, BigBand ... Rockabilly!

Adriano BaTolba über Stil, Equipment und Gitarren-Jobs

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André Tolba ist ein vielbeschäftigter Mann. Als Gitarrist spielt er mit bekannten Größen wie Sascha, Peter Kraus, Dick Brave & The Backbeats und Lena. Zusätzlich rockt er mit der Working Blues Band oder dem eigenen Trio auf kleinen Bühnen und produziert und komponiert für andere Künstler. Dabei liegt sein Hauptaugenmerk derzeit auf seinem Adriano BaTolba Orchestra – einer BigBand, die Rockabilly-Songs spielt, geführt von der Gretsch-Gitarre des Meisters.

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(Bild: APEMDIA, ROLAND ODER, ALL STAR FOTO)

,13 Renegades‘ heißt das neue Album des deutschen Äquivalents zum Brian Setzer Orchestra und präsentiert 13 Songs. Neben Eigenkompositionen gibt es originelle Coverversionen aus den unterschiedlichsten Genres – Blues, Jazz-Standards und das Country Traditional ,Cotton Eye Joe‘, das vor Jahren mal in einer EuroTrash-Dance-Version der Rednex zum Hit wurde. Scheuklappenfreies Musizieren ist also angesagt und Herr Tolba gibt genauso engagiert und begeistert Auskunft wie er Musik macht.

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INTERVIEW

André, du hast Jazz studiert, spielst mit Pop-Größen und bist als Blues- und Rockabilly-Musiker aktiv. Sind das alles nur verschiedene Facetten einer Musiker-Persönlichkeit oder trennst du die Bereiche stark voneinander?

André Tolba: Hm, wie schizophren kann man sein? Nein, das ist für mich alles ein- und dasselbe. In dem Moment wo du auf die Bühne gehst, denkst du ja nicht, jetzt darf ich das zeigen und das nicht, sondern versuchst dein Bestes zu geben.

Gibt es eine Band, auf der der Fokus liegt?

André Tolba: Ja, natürlich das Orchestra.

Dein neues Album heißt ,13 Renegades‘. Laut Wikipedia ist ein Renegade ein Abtrünniger einer Religion, oder eines Wertesystems.

André Tolba: Es sind 13 Songs, 13 Musiker und 13 neue Arrangements. Ich verstehe Renegade eher als Anstifter, Aufrührer z.B. zum Rocken und in einem Retro-Genre neue Sachen unterzubringen, die man so noch nicht gehört hat. Wie bist du auf das Konzept „Rockabilly & BigBand“ gekommen? Ich wurde für die Musikmesse in Frankfurt von Fender gefragt, ob ich mal was mit BigBand machen möchte und wollte da dann aber mein eigenes Ding durchziehen und nicht ein paar Brian-Setzer-Arrangements kopieren. Ich hab dann drei Songs geschrieben, die sie mit einem Arrangeur bearbeitet und Demo-Aufnahmen gemacht. Leider wurden dann alle Live-Acts von Fender für die Messe abgesagt, aber die Sache hat sich verselbstständigt. Wir haben einen Test-Gig gemacht, alle hatten Spaß und da wollte ich nicht mehr den Stecker ziehen.

Wie hält man eine BigBand zusammen? Gibt es viele Musikerwechsel und wie geht das Konzept finanziell auf?

André Tolba: Natürlich sind wir nicht immer die selben dreizehn Musiker auf der Bühne. Es gibt eine Kern-Band und ich habe einen Pool von Leuten, die die Songs draufhaben und mit denen ich zusammenarbeite. Das liegt in der Natur der Sache, dass wir alle Berufsmusiker sind und der eine oder andere mal andere Verpflichtungen hat. Alle Leute haben aber wirklich Bock drauf, es geht nicht nur darum die kleinen schwarzen Pünktchen abzuspielen (lacht). Finanziell … ich sag’s mal so: Im Trio wäre es einfacher. (lacht) Aber es funktioniert.

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(Bild: Holger Scholl)

Wie nehmt ihr die Tracks im Studio auf, mit allen gleichzeitig?

André Tolba: Nee, das wäre zu aufwendig, es gibt auch nicht mehr so viele Studios, wo man mit einer kompletten BigBand aufnehmen könnte. Das hätte das Budget gesprengt. Wir haben erst die Rhythm-Section als Fundament aufgenommen und dann die einzelnen Bläser-Sections. Ich habe auch viel vom Aufnehmen selber gemacht.

Seit wann hörst und spielst du Rockabilly?

André Tolba: Seit frühester Jugend. Ich bin durch die Plattensammlung meiner Mutter als Sechsjähriger darauf aufmerksam geworden und damit aufgewachsen, hab dann Carl Perkins und Johnny Burnett entdeckt und Mitte der Achtziger die Revival-Bands wie Stray Cats, Pole Cats und Restless.

Was fasziniert dich an der Stilrichtung?

André Tolba: Ich fand dieses „auf das Minimum Runtergestrippte“ sehr sexy, im Trio ohne alles mit Mini-Schlagzeug, Kontrabass und Gitarre. Trotzdem ist es eine recht komplexe Musik. Scotty Moore hat Finger-Picking und Jazz-Chords bei Elvis reingehauen. Das hat mich immer fasziniert – diese Mischung, wo musikalisch viel passiert und trotzdem diese raue Energie da ist.

Ist das für dich nur eine Musikrichtung oder auch eine Lebenseinstellung mit dazugehörigen Werten?

André Tolba: Ich bin als Teenager in die Szeneläden gegangen, weil ich die Musik hören wollte, aber ich war selbst nie wirklich Teil einer Szene. Ich mag die Mode und Sachen aus der Zeit, aber ich bin nicht so drauf, dass in meinem Wohnzimmer nur ein Nierentisch stehen darf und meine Freundin im Petticoat rumlaufen muss.

Wer hat deinen Gitarrenstil geprägt – im Rockabilly und abseits davon?

André Tolba: Natürlich Scotty Moore. Aber Robben Ford ist auch einer meiner Heroes, von dem ich mir sehr viel Inspiration geholt habe. Brian Setzer natürlich auch. Ich hab aber auch während meines Studiums viel den Pianisten Bill Evans gehört oder Wes Montgomery. Ist schwer zu sagen, oft ist es die Summe der Teilchen, die man sich angehört hat.

Was sind für dich die wichtigsten Elemente des Rockabilly-Gitarrenspiels?

André Tolba: Ein gewisser Sound mit dem Slapback-Echo, dann das Hybrid-Picking und die Attitüde mit der man das spielt.

Schreibst du die eigenen Songs mit der Big-Band im Hinterkopf oder eher als Rockabilly-Trio-Nummern?

André Tolba: Die Songs auf dem Album sind schon explizit für die BigBand geschrieben, müssen aber auch auf der Wandergitarre am Lagerfeuer funktionieren, das ist für mich die Definition eines Songs. Bei ,Hard Luck‘ hatte ich schon dieses Riff aus dem Interlude im Kopf, bevor ich den Song hatte.

Wie arrangierst du für die BigBand?

André Tolba: Ich liefere dem Arrangeur ein Layout mit Ideen für Linien von mir, oder ich habe ein Riff wie bei ,Turn It Loose‘, dieses Bariton-Riff, auf dem ein Song basiert. Aber ich lasse ihm auch freie Hand, denn ich bin ja kein Arrangeur. Ich hab großen Respekt vor Felix oder Florian, die die Songs arrangiert haben und mit Ideen kommen, die auch für mich eine Bereicherung sind. Ich kann dann auch sagen, das ist mir zu klug an der Stelle, da soll es mehr knallen, aber das ist alles sehr entspannt. Es geht um den Song und nicht darum, von wem eine Idee ist.

Die Auswahl der Cover-Versionen ist sehr vielfältig und reicht von Blues bis zum Jazz-Standard Was macht einen Song für dich interessant um gecovert zu werden?

André Tolba: Ich muss was dabei fühlen und denken, dass wir mit der BigBand unsere eigene Note reinbringen können. Ich möchte nicht die 547. Version von ,Route 66‘ spielen wie sie Nat King Cole gespielt hat. Bei ,Cotton Eye Joe‘ war die Überlegung, dass ich noch nie eine Country-Nummer mit Big Band gehört habe und dachte, dass man das mal angehen könnte.

Die Platte ist auf deinem Label veröffentlicht worden. Gab es keine Möglichkeit einen Deal mit einer größeren Plattenfirma zu bekommen?

André Tolba: Es gab Angebote, aber da ich jetzt ein eigenes Label habe, war das die logische Konsequenz, da halte ich das lieber alles selbst in der Hand. Die Millionenangebote in der Branche sind ja auch stark rückläufig (lacht). Die BigBand ist kein Mainstream-Produkt, da sind zwar auch PopElemente drin, aber ich möchte gerne alle Facetten meiner musikalischen Persönlichkeit einbringen und habe dann mehr Freiheiten.

Seit wann bist du Profi-Musiker?

André Tolba: Ich hab schon früh angefangen neben dem Studium zu unterrichten und mich dadurch zu finanzieren und dann ab Mitte der Neunziger die ersten Touren gespielt.

Wie wichtig ist deiner Meinung nach eine Ausbildung in Form eines Studiums und theoretische Kenntnisse?

André Tolba: Es schadet nicht ein bisschen den Überblick zu haben. Ich hab das durchlaufen und mir hat es viel gebracht, es war wie fünf Jahre Trainingslager und ich habe damals viele Kontakte geknüpft, z.B. zu meinem Bassposaunisten Wolf Schenk, der auch mit Pepe Lienhart/Udo Jürgens gespielt hat. Am Ende des Tages ist es aber so, dass es auch Mörder-Musiker gibt, die nicht studiert haben und da auch keiner sagt, der hat nicht studiert, der hat nichts drauf. Das wäre so als wenn man sagt, jemand hat Abitur und ist dann klug. Kann sein … (lacht)

Was braucht man, um heutzutage als Musiker überleben zu können?

André Tolba: Ich glaube, dass die heutige Zeit in allen Bereichen viel schneller geworden ist und man als Musiker eine gewisse Vielseitigkeit haben muss, um gewisse Sachen bedienen zu können. Gleichzeitig – das ist auch das Absurde an unserer Zeit – wird alles auch immer mehr hoch spezialisiert und da ist es gut, ein Ding zu haben für das man steht. Ich habe vor einiger Zeit einen Workshop an meiner ehemaligen Uni gegeben und da kam die Frage: „Aber du hast doch auch Jazz studiert, findest du es nicht scheiße, dass du immer Rock & Roll spielen musst?“ (lacht). Da konnte ich nur sagen, dass ich sehr froh bin für etwas zu stehen, mit dem ich auch was zu tun habe, und nicht Roy-Black-Schlager spielen muss, mit einer Flasche Wein im Kopf.

Alle unsere Helden stehen ja auch für etwas und ich weiß nicht, wie viele Leute es interessiert ob Jimi Hendrix ,All The Things You Are‘ spielen konnte oder Wes Montgomery ,All Along The Watchtower‘. Ich meine, Peter Kraus hat mich angerufen und gesagt: „Ich will, dass du die Gitarre spielst!“ Und da fühle ich mich schon geehrt, denn er ruft ja nicht an und sagt, ich brauche irgendeinen Gitarrist.

Wie sieht deine Rolle in der Band von Peter Kraus aus?

André Tolba: Wenn du es auf eine Rolle runterbrichst, bin ich der Live-Gitarrist, habe für ihn aber schon Songs geschrieben, die auch auf Platten erschienen sind.

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(Bild: APEMDIA, ROLAND ODER, ALL STAR FOTO / HOLGER SCHOLL)

Viele Menschen sehen Peter Kraus eher als Schlagersänger. Was ist deine Meinung dazu?

André Tolba: Ich glaub das stimmt, schon, weil er auch Schlager gemacht hat. Aber Elvis hat auch Schlager gemacht, ,Kiss Me Quick‘ ist weit weg vom Missisipi-Delta, das war damals der Zeitgeist. Heute kann sich auch keiner mehr vorstellen, dass ,Sugar Baby‘ auf dem Index war, wegen eines Ohohs, das zu anzüglich war. Da hing im biederen Nachkriegsdeutschland die Latte noch viel tiefer als in Amerika. Ich habe auf jeden Fall großen Respekt davor, sich 50 Jahre im Show-Business zu behaupten und selbst neu zu erfinden und dann auch mal Sachen zu machen, wo man im Nachhinein sagt: War das wirklich so cool? Da gibt es auch mal einen Hit, der mehr in der Schlager- als in der Rock-&-Roll-Ecke ist, aber Peters Herz schlägt immer noch dafür, wir spielen immer noch Chuck-Berry- und – Elvis-Songs.

Du bist in sehr vielen Projekten aktiv. Ist das eine finanzielle Notwendigkeit oder macht dir die Vielfältigkeit einfach Spaß?

André Tolba: Die Vielfältigkeit ist das Salz in der Suppe: Es ist toll im Studio mal eine ElektroSwing-Produktion zu haben oder was mit HipHop-Elementen. Dass man sich in neuen Situationen zurecht finden muss macht Spaß und hält die Rübe fit. Wenn ich eine Tour gespielt habe, freue ich mich wieder im Studio zu tüfteln oder mit anderen Leuten was zu machen.

Nutzen dir die Fans anderer Bands etwas für die eigenen Projekte, sprich tauchen viele Sascha-Fans beim Orchester auf oder umgekehrt?

André Tolba: Viel ist relativ. Das ist eher ein Bruchteil der Leute, die geforscht haben, was der sonst so macht und die plötzlich beim Orchestra stehen. Das freut mich, wenn die sagen: so eine Musik hätte ich sonst nie gehört, aber jetzt beim Konzert gefällt mir das. Es ist aber nicht so, dass jetzt Busse mit Fans zum Orchestra kommen. Dafür ist das viel zu speziell.

Welche Instrumente spielst du?

André Tolba: Ich bin auf gar keinen Fall so eine ,Gear Slut‘ (grinst). Meine Hauptgitarre ist eine grüne 1958/1959er Gretsch 6120, die ich 1989 in London gekauft habe – das ist meine Wegbegleiterin seit dieser Zeit. Dazu sind dann noch ein paar andere 6120 gekommen und eine White Falcon. Im Studio spiele ich hauptsächlich die alte, dann eine grüne 6120, die ein bisschen moderner und bissiger klingt und eine 66er Telecaster über einen alten Fender-Bandmaster-Amp. Auf Tour benutze ich oft einen Custom-Shop-Vibrolux-Combo, den ich aber auch schon seit Mitte der 90erJahre habe. Wenn ich Sachen habe, die für mich funktionieren, bin ich gar nicht so, dass ich dann noch das oder das ausprobieren muss.

Im Studio ist das Setup die alte Gretsch in ein Roland-Tape-Echo in den Amp und den ordentlich aufkacheln. Live ist das nicht so praktikabel den Amp auf 9 zu stellen, da schalte ich dann oft noch einen Fulltone-Fulldrive-Verzerrer dazwischen. Als Backup nutze ich oft die Boss-Simulation des Echos, das RE-20. Im Grunde kommt viel auch aus den Fingern, selbst wenn ich das Setup von Hendrix oder Scotty Moore hätte, würde ich nicht so klingen.

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(Bild: Holger Scholl)

Was sind deine weiteren Pläne mit dem Orchester und allgemein als Musiker?

André Tolba: Wir sind auch viel mit dem Adriano BaTolba Trio unterwegs, wenn die Bühne das Orchester nicht hergibt, spielen z.B. im März auf einer Tattoo-Convention. Im Mai ist wieder eine Peter-Kraus-Tour, dann habe ich eine Produktion mit einer südamerikanischen Band, für die ich auch Songs geschrieben habe und das Album produziere. Der Schwerpunkt ist auf jeden Fall das Orchestra und wer weiß, was da noch kommt und passiert.

Du bist also beschäftigt.

André Tolba: Ja, da sorgt man ja auch für (lacht)

Dann viel Spaß bei der Musik und danke für das Gespräch.

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