Modeling-Amps auf eigenen Pfaden

Roland GA-112, GA-212 im Test

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Zwei E-Gitarren-Combo-Verstärker von Roland
(Bild: Dieter Stork)

 

Modeling-Verstärker, die keinen bekannten Röhrenvorbildern nacheifern gehen bei der Tonformung eigene Wege. Das Regler-Layout der vierkanaligen Roland-Combos GA-112 und GA-212 entspricht traditionellen Röhren-Amps, und statt Multieffekten gibt’s „nur“ einen Hall. Geht dieses Konzept auf?

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Die beiden Roland-Neuentwicklungen modellieren den Verstärkerton mithilfe der hauseigenen COSM-Modeling-Technik. „Progressive Amp“ nennt sich das einzige Verstärkermodell dieser beiden Bühnen- Combos, dessen Spektrum von Clean bis High-Gain reicht.

Die beiden unterschiedlich leistungsstarken Roland-GA-Combos verfügen über Solid-State-Endstufen. In diesem Metier hat der Hersteller mit dem 1975 vorgestellten und weiterhin erhältlichen JC-120 Jazz Chorus jede Menge Erfahrungen sammeln können. Dank zweier flexibler FX-Wege und zusätzlichen Power-Amp-Inputs geben sich die beiden Combos zudem sehr effektfreundlich.

 

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Zwei Mono-Effektwege, getrennt im Pegel und von seriell auf parallel umschaltbar (Bild: Dieter Stork)

 

Konstruktion von Roland GA-112 und GA-212

Vom Gewicht her können es beide Combos locker mit Röhrenverstärkern aufnehmen. Dem 32 kg schweren GA-212 (2x 12″ Lautsprecher) hat der Hersteller abnehmbare Rollen und zusätzlich seitliche Griffschalen spendiert, welche dem fast 25 kg wiegenden 1x 12″-Modell GA-112 ebenfalls nicht geschadet hätten.

Das hohe Gewicht verdanken die beiden Probanden in erster Linie den Gehäusen aus 24 mm dicker MDF, den kräftigen Magneten der Roland 12″-Custom-Speaker, sowie den Lochblechschutzgittern vorn und hinten.

Die Rückwand ist zu zwei Dritteln geschlossen. Modeling-Elektronik, Endstufe(n) und Netztransformator befinden sich direkt hinter dem Bedienpaneel.

Ein strapazierfähiger und akkurat applizierter Kunstlederbezug und vier fette Kunststoffecken schützen die Combos vor Stößen. Die gesamte Konstruktion wirkt ausgereift und so langlebig wie beim JC-120. Angenehm puristisch wirkt das Bedienfeld. Endlos- oder Raster-Potis gibt es hier nicht, bis auf das (nicht speicherbare) Master-Volume sind alle Regler mit LEDs bestückt, welche die momentanen Einstellungen anzeigen. Damit der Master-Regler ebenfalls auffällt, erhielt er eine rote Markierung.

Eine Zugentlastungsschelle auf der Rückseite sichert das Netzkabel, und als Besonderheit gibt’s hier eine „Auto Off“-Funktion, die bei Bedarf den Combo nach vier Stunden Nichtbenutzung vom Stromnetz trennt.

Neben der optional erhältlichen Roland-Fußschaltereinheit GA-FC mit Expression-Pedalanschlüssen kann hier über die sogenannten Link-Buchsen ein weiterer GA-Combo eingestöpselt und synchron betrieben werden. Die Buchsen „Main In“ A und B leiten Line-Level-Signale direkt in die Endstufe(n). Schließt man hier beide Ausgänge eines Amp- und FX-Modelers an, profitiert man beim GA-212 von dessen zwei Endstufen. Ansonsten jedoch nicht, denn die Effektwege A und B beider Roland GA-Combos sind komplett Mono ausgeführt, lassen sich jedoch unabhängig voneinander im Pegel sowie von seriell auf parallel umschalten. Ein Stimmgerät findet auf der Rückseite ebenfalls einen eigenen Anschluss. Alle Ein- und Ausgänge auf der Rückseite sind symmetrisch ausgelegt, normale asymmetrische Gitarrenkabel lassen sich hier jedoch ebenfalls verwenden.

 

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Quasi-Fünfkanaler – Manual-Modus plus vier Speicherplätze (Bild: Dieter Stork)

 

Roland GA-112 und GA-212 in der Praxis

Ohne den geringsten Plopp-Laut lassen sich die beiden Probanden einschalten, genauso nebengeräuschfrei geben sie sich beim Ausschalten.

Eigentlich haben wir es bei den Roland GA-Combos mit Fünfkanalern zu tun, denn einen Manual-Modus gibt es ebenfalls. Per Tastendruck lassen sich Einstellungen des Manual-Modus auf einen der vier Kanäle CH1 bis CH4 kopieren. Diese vier Speicherplätze können beliebig programmiert werden; viermal Clean ist also genauso realisierbar wie vier unterschiedliche High-Gain- oder Overdrive-Settings.

GA-112 und GA-212 beginnen bei wenig Gain mit Clean-Sounds die nicht von ungefähr stark an den Roland JC-120 erinnern: glasklar, verzerrungsfrei, brillant, druckvoll, dynamisch und markant! Mit dem Unterschied, dass bei den Probanden stufenlos in die Zerrgefilde übergeblendet werden kann.

Der 3-Band-EQ arbeitet aktiv und effektiv, hier gilt es, behutsam zu dosieren. Besonders mit dem zusätzlichen Presence-Poti sollte man vorsichtig umgehen, wenn Treble ebenfalls bereits recht weit aufgedreht ist.

Der Voice-Taster – wie alle anderen Taster beleuchtet – ändert das Mittenspektrum, der Sound wird fülliger, behält jedoch seinen ursprünglichen Charakter bei. Dieser ändert sich auch durch den Boost-Taster nicht, der von „Clean bis Drive“ auf „Drive bis High-Gain“ umschaltet, je nach Stellung des Drive-Potis natürlich. Der Verzerrungsgrad wird auch durch eine vielfarbige LED-Leiste angezeigt. Wer das nicht mag, kann sie abschalten, auch die Auto-Save-Funktion der vier Presets lässt sich deaktivieren. Im Boost-Modus schalten die Combos am Rechtsanschlag des Drive-Potis noch den Nachbrenner ein und packen einen echten High-Gain-Modus aus, der sich vortrefflich auch für Metal-Klänge einsetzen lässt. Zu guter Letzt verfügt auch der Middle-Regler über eine Boost-Funktion, welche den Ton erheblich bauchiger erscheinen lässt, und besonders Einspuler-Gitarren zu mehr Fülle verhelfen kann.

Der Charakter der GA-Zerr-Sounds lässt sich nicht in eine Schublade packen; eher amerikanisch als britisch klingen sie jedoch schon. Sie reagieren dynamisch auf Spielweise, Gitarrentyp und den Volume-Regler an der Gitarre. Obwohl Zerrverhalten und -struktur sehr gelungen sind, fehlt es diesen Overdrive- und Distortion-Klängen allerdings oftmals etwas an (Röhren)-Wärme. Dann beginnen die Roland GA-Combos auch schon mal zu sägen oder grell zu tönen. In gewissem Rahmen bekommt man dies jedoch durch feinfühliges Arbeiten mit den Klangreglern in den Griff, auf der anderen Seite sind bei den Test-Amps die – übrigens ausgezeichneten – Lautsprecher noch nicht eingespielt.

Der GA-112 kann laut, sein „großer Bruder“ GA-212 sehr laut werden! Das sind waschechte Bühnen-Combos, wobei die Endstufen auch am Vollanschlag keine unangenehmen Verzerrungen beisteuern. Gemäß Herstellerangaben leistet der GA-112 100 Watt (bei einer Stromaufnahme von 45 Watt), und der GA-212 200 Watt (Stromaufnahme 75 Watt). Dieses Kuriosum konnte Roland in Norderstedt nach Rückfrage in Japan aufklären; bei den Herstellerangaben handele es sich um Spitzenleistungen. Der GA-112 macht sich auch auf mittleren Bühnen noch durchsetzungsstark bemerkbar, für größere Locations empfiehlt sich eher der GA-212, oder man „stackt“ und „linkt“ zwei GA-112.

Mit vorgeschalteten Effektpedalen vertragen sich beide Combos gut, solange man keine Booster etc. einsetzt, die den Eingangspegel erhöhen. Denn hier gibt es keine Röhren zum Kitzeln, sondern eine digitale Eingangsstufe, welche externe Booster bekanntlich überhaupt nicht mag. Gelungen sind die von serieller auf parallele Arbeitsweise getrennt umschaltbaren Effektwege, die sich pro Kanal auch unabhängig voneinander mit abspeichern lassen. Möchte man Effektpedale wie Delay, Chorus oder dergleichen einschleifen, so senkt man den Pegel der FX-Loop mit dem Level-Switch vorzugsweise ab, während 19″-Gerätschaften auch hier meist besser mit kräftigerem Effektwegpegel klarkommen.

Der eingebaute Digital-Hall gefällt mir ausgesprochen gut, er wurde einem Federhall nachempfunden.

Weit aufgedreht verleiht er dem Ton einen ansprechenden hellen Glanz, während seine Abklingzeit im angenehmen Sinne relativ kurz ausfällt. Obwohl der GA-212 zwei Endstufen besitzt, erklingt sein Hall jedoch nur Mono.

Der symmetrische Line-Out wird vor dem Master-Volume abgezweigt. Gut so, in der Preisklasse der beiden Roland GA-Combos wären jedoch auch XLR-D.I.-Ausgänge mit Speaker-Simulation und schaltbarem Ground-Lift wünschenswert gewesen. Auch MIDI-Buchsen als Alternative zur Steuerung mit der Roland Fußschaltereinheit GA-FC hätten den beiden Probanden gut gestanden.

 

Resümee

Die beiden eigenständigen Roland Gitarren-Combos GA-112 und GA-212 entpuppen sich als puristische Quasi-Fünfkanal-Verstärker mit eigener Prägung und zwei flexiblen Effektwegen. Ob Clean oder High-Gain, der Grundklangcharakter bleibt stets erhalten, denn es gibt mit dem sogenannten „Progressive Amp“ nur ein Verstärkermodell. Das Konzept geht auf, auch wenn die Zerrklänge teilweise etwas kühl rüberkommen. Der virtuelle Federhall klingt über den Kanalwechsel aus, der verzögerungsfrei abläuft. Genauso flink und ohne merkliche Latenz reagieren die kraftvollen Combos auf die Spielweise. Die optionale Roland-Fußleiste GA-FC und zwei Expression-Pedale werden die meisten Käufer gleich mit einplanen, da eine Steuerung über eine Standard-MIDI-Pedaleinheit leider nicht möglich ist.

 

roland_ga112_212_uebersicht

 

Plus

  • Cleansounds
  • Zerr-Struktur
  • Druck, Volumen, Dynamik
  • eigener Toncharakter
  • 2 variable Effektwege
  • hochwertiger Aufbau

 

Minus

  • EFX-Loops Mono (GA-212)
  • keine MIDI-Anschlüsse
  • kein XLR-D.I.-Ausgang
Produkt: Kemper Amp Special
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