Schwedische Individualisten

Hagström II & III im Test

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Hagström arbeitet weiter an der Neuauflage seiner Produktpalette. Die Solidbody-Modelle mit dem schlichten Namen II und III verströmen optisches Beat-Flair und halten manche Überraschung im Sound und Handling bereit.

Hagström II & II_01
(Bild: Dieter Stork)

 

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Mir gefällt ja der aktuelle Trend zu Modellen abseits der ausgetretenen Pfade. So schön die bekannten Klassiker auch klingen, macht es doch immer wieder Spaß, sich mal mit einer Gitarre zu beschäftigen, die anders konstruiert ist – und da bieten diese zwei Hagströms gutes Studienmaterial.

Konstruktion

Beim Design dieser Gitarren hat sich Hagström damals von den zu der Zeit angesagten Instrumenten inspirieren lassen: Der Body erinnert etwas an eine SG, die Kopfplatte ist deutlich Fender-geprägt und für das Tremolo und die Pickup-Wahlschalter stand die Jaguar-Pate. Was etwas willkürlich klingt, was die Vorbilder angeht, sieht am Ende trotzdem schlüssig aus und verbreitet optisch wahlweise Beat-, Punk- oder Grunge-Flair im Proberaum. Auffallen wird man definitiv mit diesen Instrumenten, die es in vier Farben (Black, 3-Tone-Sunburst, Aged Sky Blue und White) gibt. Hinter der coolen Rock’n‘Roll-Trash-Ästhetik verbirgt sich aber ein modernes Instrument mit breitem Hals und modernen Spieltechniken nicht abgeneigten Medium-Jumbo-Bünden.

Das Tremar-Vibrato, das auf dem MesserkantenPrinzip basiert, wurde überarbeitet und weist jetzt einen geraden Saitenzug auf. Eine Roller-Bridge und ein Graphit-Sattel erhöhen zusätzlich die Stimmstabilität. Der Vibratohebel wird mit einer Inbusschraube in einer Metallhülse fest-geschraubt und kann so nicht herausfallen. Der Knickwinkel des Hebels erscheint optisch etwas seltsam, ist aber in spielerischer Hinsicht gut gewählt. Ohne Probleme kann man beim Plektrum-Anschlag mit den übrigen Fingern der rechten Hand Akkorden ein Bigsby-artiges Schimmern verleihen oder Melodietöne dezent tremolieren lassen.

Lässt man den Hebel los, bleibt er in Position und fällt nicht nach unten. Die Saiten werden im Tremolo eingehängt. Sie laufen nicht durch den Body, sondern in einem recht flachen Winkel über den Steg, was in einem relativ geringen Saitenandruck resultiert. Auf der elektronischen Seite sorgen je nach Modell zwei oder drei Pickups für die Tonübertragung an den Amp. Statt eines PU-Wahlschalters hat die II vier Schiebregler, die III sogar sechs! Jeder Pickup kann einzeln an- oder ausgeschaltet werden. Hinzu kommen zwei bzw. drei Filter mit leicht irreführenden Bezeichnungen Master Tone (starke Höhenbeschneidung) Mute (leichte Höhenabsenkung) und bei Modell III noch ein Bass Cut, der das macht, was sein Name verspricht: die Bässe ausdünnen.

Alle zwei bzw. drei Pickups werden mit dem Master-Volume parallel in der Lautstärke geregelt, es ist also nicht möglich den Steg-PU leicht zum Hals dazuzumischen. Dafür kann man mit dem Kill-Switch die Gitarre in den Ruhezustand versetzen. Der Schalter auf dem oberen Body-Horn schaltet alle anderen Regler stumm und ist bei gewollter Betätigung für abgefahrene Stotter-Effekte zuständig.

Hagström II & II_02
(Bild: Dieter Stork)

Praxis

Auch das Umhängen der Hagström-Modelle ist originell: Statt zweier Gurtknöpfe hat die Gitarre drei – einen am oberen Horn und zwei am Korpusende. Sieht seltsam aus, funktioniert aber einwandfrei, das Instrument hängt ausbalanciert am Gurt und mithilfe der zwei Knöpfe am Korpusende kann man die Gitarre Beatles-artig hoch oder punkig tief hängen, ohne den Gurt zu verstellen. Und im Proberaum gegen den Verstärker gelehnt ist der Stand etwas sicherer. Das Spielgefühl verblüfft dann mit deutlichem Hang zur Moderne.

Der Hals ist breit und relativ flach ausgefallen, die Medium-Jumbo Bünde machen das Ziehen leicht und durch die kurze Mensur und den geringen Saitenzug muss man mit den Hagströms definitiv nicht kämpfen. Clean angespielt klingt der Hals-Tonabnehmer glockig und perlt besonders bei Arpeggio-Figuren sehr schön. Harter Attack? Fehlanzeige, dafür hat der Ton immer Twang-Charakter mit leicht ausgehöhltem Bass. Jazzige Sounds sind hingegen nicht so das Terrain der Hagströms; auch nicht, wenn man Master-Tone oder Mute bemüht. Schaltet man den Steg-PU zum Hals dazu, erhält man einen wunderbaren „Honk“ im Bass, das twangt in bester Sixties-Manier für Melodien im Bassbereich zwischen Country und Soundtrack. Dreht man das Volume etwas zurück, machen auch Strumming-Akkorde eine gute Figur und klingen weich und sehr flächig.

Der Steg-PU im Alleinbetrieb ist sehr klar, ohne Kratzen und wirkt sogar etwas harmlos – zumindest im Clean-Betrieb. Leicht angezerrt sieht das anders aus, da sorgt der klare Frequenzgang des Steg-Tonabnehmers für einen ausgeglichenen Sound ohne Kratzen am Trommelfell. Der Hals klingt sehr fett und bluesig, matscht aber trotzdem bei Akkorden nicht. Am Steg kommt die Kombination aus mehr Verzerrung und dem etwas weicheren Frequenzgang sehr gut. Solo-Licks haben einen sehr ausgewogenen, singenden Klang und tendieren deutlich zur Neuzeit, sodass man auch als Fusion- oder Pop-Musiker Spaß mit der Hagström hat. Für den dreckigen Rock’n‘Roll fehlt etwas die Kante im Ton, wirklich schräge oder leicht kaputte Klänge sind nicht das Metier dieses Instruments. Modell III ist – bis auf den zusätzlichen Pickup – baugleich.

Der Tonabnehmer in der Mitte macht das Instrument aber deutlich flexibler. Gerade bei cleanen Rhythmusparts kann man mit der Kombination von Hals/Mitte oder Steg/Mitte recht nah an saubere In-Between-Sounds herankommen, was die Pop-Tauglichkeit der Gitarre weiter steigert. Leider zeigt sich jetzt der Nachteil der Schiebeschalter. Um vom Hals-PU auf die Zwischenstellung von Mitte/Steg zu gelangen, muss man drei Schalter betätigen, was live schon etwas umständlich ist. Der zusätzliche Filter in Form eines Bass Cuts klingt gut, funktioniert aber in entgegengesetzter Richtung wie Master Tone und Mute, sprich in der unteren Stellung hört man das unbearbeitete Signal, in der oberen das ausgedünnte, wohingegen die anderen Schalter in der unteren Stellung aktiv sind. Da muss man schon alle sieben Sinne auf der Bühne beisammen haben, wenn man alle Sounds des Instruments nutzen will.

Auf der anderen Seite: Wenn man im Kopf behält, dass die ersten drei Schalter für die PUs und die anderen für Filter zuständig sind, sollte man zurechtkommen! Eine gute Performance liefert das Tremolo, solange man es wie ein Bigsby einsetzt. Dezentes Vibrato auf Melodietöne oder surfige Chords macht es geduldig mit.

Resümee

Mit den Solidbody-Modellen II und III gelingt Hagström der Spagat zwischen coolem Retro-Look und modern agierenden und vielseitig klingenden Gitarren. Trotz des optischen Sixties-Vibes sind die Instrumente modernen Spieltechniken und Sounds gewachsen. Von der Arpeggiobegleitung bis zum heftig zerrenden Leadsound liefern sie eine breite Palette an Klängen und stellen allemal eine erfrischende Alternative auf der Szene dar.

Plus

  • origineller Retro-Look
  • cleane Arpeggio-Sounds
  • angenehmes Spielgefühl
  • eigenständiger Sound

 

 

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