Retro Style de Luxe

Fender Vaporizer Combo-Amp im Test

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Der Name Fender Vaporiz, dieses schrill gestylten Combos, scheint einem 50er-Jahre-Sci-Fi-Comic entsprungen. Oder Moment, hatte vielleicht Captain Kirk so etwas als Geheimwaffe im Schränkchen, für den Fall, dass alle Phaser auf einmal ausfallen?! Ominös, fragt sich, was so ein vernichtender Verdampfer-Vaporizer in einem Gitarrencombo überhaupt darund anstellen kann. Seine 12 Watt Leistung können das kaum sein.

Fender Vaporizer Combo-Amp

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Fender füllt mit dem Vaporizer seine PawnShop-Serie auf. Was heißt das überhaupt, Pawn Shop? Direkt übersetzt Pfandleihhaus. Der Begriff spielt also darauf an, dass die Amps alten, in Leihhäusern vergessenen Schätzchen gleichen, und ist somit eigentlich nur ein anderes Wort für Vintage- /Retro-Style. Allgemein bekannt, oder? Zwei Combo-Modelle hatte Fender bislang schon im Programm, den Excelsior (1¥15“), der einen Tremoloeffekt besitzt und mit zwei 6V6-Röhren 13 Watt erzeugt, sowie den Ramparte (1¥12“), der im Eintaktbetrieb arbeitet und 9 Watt aus einer einzelnen 6L6 zieht. Beide sind sehr schlicht ausgestattet. Der gerade eben erst erschienene Vaporizer wirkt dagegen beinahe schon luxuriös, wie wir gleich sehen werden. Man kann den Combo übrigens in zwei weiteren Farben bekommen. Neben dem kräftigen Rocket Red stehen zwei Pastellfarben, Surf Green und Slate Blue, zur Wahl.

Konstruktion des Fender Vaporizer

Was man als Luxus einstuft, ist relativ. Absolut gesehen ist auch der Vaporizer ein eher puristischer Combo. Volume, eine ToneBlende und zwei Eingänge (Normal, Bright) mit unterschiedlichem Grund-Sound, mehr Möglichkeiten der Tonformung bietet der Combo nicht. Aber er ist immerhin mit zwei 10“-Lautsprechern ausgerüstet und verfügt über einen Federhalleffekt. Dieser ist anders konzipiert als man es gewohnt ist. Die Effektstärke ist nämlich unabhängig von der Stellung des Volume-Reglers. Der eine oder andere kennt dies vielleicht von alten Gibson-Amps/-Combos. Der geschätzte GA- 19RVT, ein sehr warm klingender 1¥12“- Combo der mit seiner 2¥6V6-Endstufe (Kathodenbias) dem frühen Fender Deluxe ähnelt, ist z. B. auch so konzipiert.

Das hat gewisse Vor-, aber auch Nachteile. Doch dazu später. In den Spezifikationen werden zwei 12AX7 genannt und zwei EL84, die im Kathodenbias arbeiten. Ausgehend davon, dass der Federhall von ICs „betreut“ wird – und dem ist so – könnte man annehmen, dass hier im Prinzip eine reine Röhrenschaltung zugrunde liegt. Nein, ist nicht der Fall. Auch im primären Signalweg finden sich integrierte Halbleiterbausteine. Der technische Aufwand ist trotz der schlichten Konzeption des Amps hoch. Die große Hauptplatine ist reich bestückt. An der Verarbeitung und der Substanz gibt es, gemessen an der Preisklasse nichts auszusetzen; „Made in China” auf hohem Niveau. Praktisch ist übrigens, dass man das Stahlblechchassis nicht ausbauen muss, um an die Elektronik heranzukommen. Sechs Schrauben lösen, dann ist der Deckel samt Röhrenschutzgitter schon abgenommen.

Vaporizer ist nicht nur ein Name. Es steckt wie oben angedeutet auch technisch etwas dahinter: Was hat es also mit Vaporizer Circuit auf sich? Nun, eigentlich ist der gar nicht das, was der Name sagt. Es geht eher darum, einen Schaltkreis weniger zu haben. Wenn man nämlich über den mitgelieferten Fußschalter die Vaporizer-Funktion aktiviert und die rote Pilot-Lampe am Bedienfeld erstrahlt, geht das Signal pfeilgerade, ohne Umwege über Klangregelung und VolumePoti, auf die Endstufe. Dadurch steigt das Gain-Niveau, der Amp heizt unter Vollgas, vielleicht schieben sogar ein oder zwei ICs den Pegel noch etwas an. Die Endstufe sättigt jedenfalls enorm.

Fender Vaporizer in der Praxis

Für den Combo nennt Fender eine unverbindliche Preisempfehlung in Höhe von exakt € 593,81. Im Handel liegt der Preis deutlich niedriger und pendelt um ca. € 450. Das ist Economy-Niveau, Einsteigerklasse. Und wenn man das weiß, richtet man sich in seinen Erwartungen mehr oder weniger automatisch darauf ein: Nicht zu viel erwarten, der Vaporizer dürfte kaum mehr als nur ein weiterer Brot-und-ButterCombo sein?! Tja so kann man sich irren, weit gefehlt, diese kleine Kiste erweist sich als äußerst munteres, ja regelrecht aufregendes Sound-Tool. Tonal mit einem eigenen Timbre gesegnet, hat nicht viel Brillanz, hat nicht viel Bass, singt aber in seinem Spektrum weich und höchst musikalisch. Gleichzeitig befleißigt sich der Vaporizer einer wohldosiert nachgiebigen Ansprache, sprich er fühlt sich im Attack angenehm an – es sei denn, man mag eine ehre stramme Gegenwehr. Dieser erste Eindruck ist schon viel positiver als erwartet. Allerdings, der eigentliche AhaEffekt kommt erst noch.

Von der reinen Clean-Wiedergabe wechselt der Vaporizer nämlich überaus gekonnt in Overdrive. Allmählich, ganz subtil, schummeln sich die Sättigungen ins Klangbild. Eine VintageStrat am Bright-Input, toll, frisch, heiser zerrend im Hochtonspektrum, Akkorde kommen betont harmonisch zu Ohren … alte AC-30 lassen grüßen. Dann der Kick auf den Vaporizer-Switch, paff, das passt wie die Faust aufs Auge, wenn der Blues-Spieler einen tendenziell defensiven, freundlich singenden Leadsound mag. Doch merke: Ein Wechsel von (Quasi-) Clean zu Lead dürfte für die meisten problematisch werden.

Zu groß ist der Lautstärkeunterschied, wenn das Volume-Poti unterhalb 12 Uhr steht. Natürlich kann die simple Tonblende nicht viel bewirken. Dadurch bleibt das Klangspektrum begrenzt. Trotzdem kann man unter Einbeziehung der beiden Inputs den Vaporizer so einstellen, dass sich stärkere Kontraste ergeben, man einerseits überzeugende Bebop-Klänge zu hören bekommt oder doch (weich) schneidende CountryLicks à la Danny Gatton. Der Federhall entpuppt sich eindeutig als Bereicherung, da er das Signal mit einer warmen dichten Hallfarbe auffüllt. Er bleibt auch noch immer gut nutzbar, wenn der Combo schon kräftig in die Sättigung geht. Interessant ist in der einen oder anderen Situation vielleicht, dass man das Reverb-Signal auch für sich alleine hören kann.

Surf-Trash at it‘s best, könnte man sagen. Der einzige Nachteil der separaten, unabhängigen Intensitätsregelung ist, dass man bei ändern des Volumes den Hall eben auch nachregeln muss. Und es wäre natürlich schön gewesen, wenn man den Effekt per Fußschalter ein-/ausschalten könnte. An Ende noch ein Tipp. Das Sound-Spektrum bzw. der Grund-Sound kann mit geringen Mitteln noch erheblich verändert/aufgewertet werden. Indem man z. B. einen Graphic-EQ-Pedal vorschaltet. Bei ca. 100 Hz boosten/anheben, schon bekommt der Combo ein viel satteres Fundament. Ohne dass er in hoher Röhrensättigung die Contenance verliert. Bei ca. 3 kHz das Frequenzbild zu pushen verschafft ihm einen anderen Biss, macht den Charakter aggressiver. Ausprobieren. Vielleicht schon im Laden beim Anchecken? Der Vaporizer reagiert außerdem auch sehr vorteilhaft auf Line-Booster und moderate OverdrivePedale.

Alternativen

Wer Gefallen am Vaporizer findet, wird Mühe haben, Vergleichbares in dem Preissegment zu finden. Einerseits weil der Combo charakterstark eine eigene Linie vertritt, andererseits weil potentielle Alternativen im Preis um einiges höher liegen. So steht der 2¥10“-Combo derzeit mehr oder weniger allein auf weiter Flur.

Resümee

Ja, wer hätte das von so einem Low-BudgetKandidaten gedacht. Der zunächst mehr stylisch als tonal prominent wirkende Combo spielt hinsichtlich seines gepflegten Overdrives so souverän auf, dass er fast den einen oder anderen Boutique-Amp das Fürchten lehren könnte. Allerdings bedient der Combo ein schmale Nische, sprich er ist klanglich wenig variabel. Ganz sicher zu empfehlen ist der Vaporizer für das Blues-Genre und andere gemäßigte Stilistiken. Er ist handlich, relativ leicht im Gewicht, sehr ordentlich verarbeitet, bleibt in der Summe ein rundum positives Fazit: Preis und Leistung stehen in einem günstigen Verhältnis.

 

Plus

• Sound

• Dynamik/Ansprache

• sehr harmonische Verzerrungen

• markanter Halleffekt

• geringe Nebengeräusche

• moderates Gewicht

• Verarbeitung/Qualität der Bauteile

Minus

• Hall nicht fußschaltbar

Produkt: Jazz Amp
Jazz Amp
Realität oder Illusion?

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