Röhren-Amp ohne Tricks und Gimmicks

Fender Bassbreaker 18/30 im Test

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Röhren-Amps ohne Tricks und Gimmicks, in der Sparte hat Fender seit jeher zahlreich heiße Eisen im Feuer. Dabei sind die „alten“ Konzepte  aus früheren Zeiten –Tweed-Ära, Brown/Blonde-Tolex, Blackface… –  bis heute eine neue Produkte inspirierende und image-prägende Säule des Programms. Und ja, man kann denen durchaus noch neue Aspekte abgewinnen, wie die Bassbreaker-Modelle deutlich machen.

(Bild: Dieter Stork)

Drei Combos, zwei Topteile, zwei Boxenmodelle, 1×12“ und 2×12“, die Serie startete direkt mit einem Rundumschlag. Der kleinste leistet „zarte“ sieben Watt, der größte Verstärker 45 Watt. Unser Testkandiat liegt dazwischen, mit 18 bzw. 30 Watt. Wie, zwei Leistungsangaben, was soll das heißen? Na, ich sagte es doch, neue Aspekte.

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2 in 1

Im ersten Moment denkt man natürlich, dass beim Bassbreaker 18/30, wie man es lange von Röhren-Amps kennt, die Endstufe umschaltbar auf zwei Leistungsebenen arbeiten kann. Aber klar, wenn ich das schon so sage, ist dem nicht so. Das Konzept ist ganz anders, geschickter, angelegt. Der Bassbreaker 18/30 ist mit zwei per Fußschalter (gehört zum Lieferumfang) alternativ aktivierbaren Kanälen ausgestattet. Und mit denen korrespondiert die Leistung. Der voll ausgestattete Channel One (Volume, Bass, Middle, Treble) hat 30 Watt, der simpel gehaltene Channel Two (Volume, Tone) 18 Watt. Laut Fender verbirgt sich dahinter die Idee zwei klassische Schaltungsdesigns bzw. „antike“Modelle in einem Paket zusammenzubringen: Den Blackface-Deluxe aus der Mitte der 1960er-Jahre und seinen Vorgänger den ‘61 Brown Deluxe. Fender ist bei dem Unterfangen allerdings unkonventionell vorgegangen. Anstelle eines Duetts von 6V6-Röhren, aus denen die zitierten Ahnen ihre Kraft schöpften, sind hier vier EL84 verbaut. Dazu Speaker von Celestion, der G12 V-Type, wo man eher einen Jensen oder ähnliches erwarten würde. Stirnrunzeln. Okay wir werden sehen ob und wie das gut geht.

Luxus hat der 2¥12″-Combo nicht zu bieten. Zwei Lautsprecherausgänge mit umschaltbarer Impedanz finden sich an der Rückseite, und ein Line-Ausgang, der sein Signal hinter der Endstufe bzw. hinter dem Ausgangstrafo abgreift. Ich möchte hier schon einmal anmerken, dass in dem Kontext eigentlich ein Level-Poti vorhanden sein sollte. Seitens der Verarbeitung gibt es nur Gutes zu berichten. Das hinten akustisch gesehen halboffene, aber mit Gittern und Rückwand komplett verschlossene Gehäuse besteht laut der offiziellen Produktinfo aus Birkenschichtholz. Das Amp- Chassis ist daran hängend montiert. Innen Fenders typische Platinenbauweise, unspektakulär doch sauber im Aufbau, hochwertige Bauteile, die Groove-Tubes-Röhren (vorteilhaft) in sehr stramm zupackenden Röhrenfassungen, zusätzlich fixiert mit Blechhülsen und Feder-Retainern, alles sehr ansehnlich für die Preisklasse. Daumen hoch, die Substanz kassiert ganz klar einen Pluspunkt.

Brit Flair

EL84 und Celestions V-Type, ein Speaker, der im Kern traditionelle Merkmale im Sound (Greenback) zeigt, die beiden Faktoren stechen als erstes ins Auge und sorgen wie gesagt für Verwunderung, wenn doch auf dem Rezept steht, dass die zitierten altvorderen Deluxe-Modelle für den Bassbreaker 18/30 wegweisend sein sollen. Sind da die Werbetexter über das Ziel hinausgeschossen? Na ja, sie weisen nicht explizit auf das hin, was US-Händler in ihren Infos im WWW klar ansprechen. Es ist da vom „british flavour“, also britischem „Aroma“ die Rede. In der Tat, solche Aussagen beschreiben das Szenario realistischer. Um es klar zu sagen: Die Schaltung des Bassbreaker 18/30 mag im Kern auf den alten Deluxe-Combos basieren, in seinem Ton sind deren Charaktere (beide zählen zu meinem Fuhrpark an Referenzgeräten) aber nicht die dominante Komponente. Oh ja, man hört in den Sättigungsverzerrungen durchaus Parallelen, doch der Bassbreaker ist letztlich im Klang eigenständig. Da kommt wegen der frischen, aber unaufdringlichen Brillanz schon einmal die Assoziation zum Vöxchen AC30 auf, ein Hauch von Marshalls 2061 bzw. 1974 ist quasi durchweg präsent.

Platinentechnik ohne Besonderheiten (Bild: Dieter Stork)

Das manifestiert sich in der Art, wie sich die Verzerrungen entwickeln. In beiden Kanälen verdichten sich die Röhrensättigungen ausgesprochen homogen, in den Mitten schwillt das Volumen organisch an, bläht sich auf und bringt den Sound in den Verzerrungen betont harmonisch zum Singen. Dabei gibt sich der Channel One (BF-Deluxe) zahmer, weil er weniger Gain hat, sprich die effektive Verstärkung ist geringer (niedrigeres Gain-Niveau) als im Channel Two. Cleansounds sind trotzdemnicht sein Ding. Schon bei geringsten Lautstärken „haart“ die Tonformung des Channel One bereits, ist also von ganz feinen Overdrive-Anteilen geprägt. Ungefähr auf halber Strecke des Volume- Regelwegs endet im Prinzip der Zuwachs an Lautstärke, es nimmt nur noch die Sättigungs-/ Verzerrungsintensität zu. Natürlich komprimiert die Wiedergabe dann, aber die Dynamik geht nicht ungünstig weit in die Knie. Attacks haben Druck, die Tonstruktur von Akkorden wird transparent dargestellt. Und dann diese Ansprache.

Das dürfte Tonpuristen sehr gefallen. Ohne übermäßig laut zu sein, atmet der Combo, reagiert gleichermaßen nachgiebig wie feinfühlig auf die Spielweise, und verfällt früh in Oberton-Feedbacks, die sich mit der Position des Spielers zum Combo verändern. Noch ausgeprägter bietet diese Tugenden der Channel Two an. Aufdrehen, wohlfühlen, die kultivierte Röhrensättigung weckt die Blueser-Instinkte, man wird vom Ton getragen, selbst mit einer Output-schlappen Strat bekommt man einen dicken Lead-Ton hin. Alle kennen Matt Schofield? Nein, dann aber los, bingen, yahooen, googlen … super Phrasierung bei dem Typ, geschmackvolle und intelligente Spielideen. Und ein Ton zum Niederknien. In die Richtung geht der Bassbreaker 18/30, jedoch mit dem Unterschied, dass er insgesamt viel weicher klingt (als Matts Two Rock, der nur leicht im OD arbeitet, den Rest machen Pedale), und im Bassbereich doch eher verhalten Energie freimacht. Was sinnvoll und notwendig ist, damit diese klassische Röhrenzerrung ihr Bestes geben kann – der Ton würde sonst mit Sicherheit undifferenziert. Der Überkick schlägt ein, wenn man ein Distortion-Pedal vor dem Bassbreaker 18/30 und speziell dem Channel Two benutzt. Old School wie aus dem Bilderbuch.

(Bild: Dieter Stork)

Der Combo selbst liefert zwei tragende Crunch-/Overdrive-Ebenen, Pedal ankicken, Solo abliefern … was für eine Wonne. Man hat so quasi vier Sound- Ebenen zur Verfügung In dem Kontext haben vorgeschaltete Effektgeräte wie Flanger, Phaser, Echo usw. natürlich keinen optimalen Stand, denn sie würden ja unter den intensiven Röhrensättigungen leiden (aus dem Grunde ist das Fehlen eines FX-Loop auch kein Minuspunkt). Fenders Hinweis, der Bassbreaker 18/30 lasse sich ideal mit Pedalboards kombinieren, ist insofern nur bedingt zutreffend. Man muss ihn dafür moderat einstellen, die Volume- Einstellung niedrig halten, was die Lautstärke (zu sehr?) begrenzt. Auch die Aussage „für Musiker, die viel klangliche Flexibilität brauchen.“ trifft den Nagel nicht auf den Kopf. Die Klangregelung im Channel One arbeitet nicht besonders effizient und taugt so primär nur zum Ausbalancieren des jeweiligen Instruments. Das einsame Tone-Poti im Channel Two kann erst recht nicht mehr.

Was das Thema Effekte angeht, da schlägt die Stunde des Line-Out. Mein schon öfter vorgetragener Tipp: Man nehme diesen als Send und gehe vom Ende der Effektkette in einen zweiten Combo (Low-In oder FX-Return/Line-In), der nicht einmal besonders gut klingen muss. Der Sound kommt ja fertig vom Bassbreaker 18/30. Diese Dry-Wet-Anordnung ergibt ein angenehm räumlich klingendes Pseudo-Stereo, sehr ergötzlich (Rolands Jazz-Chorus macht es auch nicht anders).

Alternativen

Das Thema ist bei diesem Produkt kurz und bündig abgehandelt. Angesichts dessen, wie markant und geschmeidig er agiert, stehen in der Preisklasse, und noch ein gutes Stück darüber, dem Bassbreaker 18/30 klanglich und konzeptionell keine ebenbürtigen Mitbewerber gegenüber.

Resümee

So elegant und kultiviert wie der Bassbreaker 18/30 die Qualitäten puristischer Röhrentechnik serviert, gelingt ihm gewissermaßen die Quadratur des Kreises, sprich er liefert Boutique-Ton und -Ansprache zum Economy-Tarif. Ja, durchaus ein Grund zum Jubeln. Der Combo lebt das wahre Leben. Und damit das mal klar ist: So eine ursprüngliche, analog-dynamische Performance kann kein digitales Modeling und kein Kemper entfalten – vive la difference! Also: Antesten dringend empfohlen.

Plus

  • charakterstarke Sound- Formung
  • harmonische Verzerrungen
  • sensitive Dynamik/Ansprache
  • geringe Nebengeräusche
  • Verarbeitung/Qualität d. Bauteile

Minus

  • Level-Regler für Line-Out fehlt

Soundfiles

Hinweise zu den Soundfiles.

Für die Aufnahmen kamen ein Kondensatormikrofon mit Großflächen-membran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis, nahe platziert vor  dem 2×12-Combo.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuerte die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine 1957-Signature-Les-Paul „Lee Roy Parnell“ aus dem Gibson-Custom-Shop, sowie eine Steinberger GL4-T (EMG Pickups).

Bedeutung der Buchstabenkürzel:

CR: Crunch-Distortion.

LP: Les Paul / Humbucker.

OD: Overdrive, geringe Verzerrungen.

-SW: Schaltfunktion.

Clip #1 enthält drei Passagen mit unterschiedlichen musikalischen Charakteren gespielt über den Kanal #1.

Die Clips #2 bis #6 bilden einen repräsentativem  Teil der Sound-Facetten ab, die der Bassbreaker 18/30 zu generieren vermag. Achtung: Um solche Verzerrungen  zu erreichen muss man ihn weit aufdrehen bzw. laut spielen.

Clip #7 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den (Verzerrungs-) Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer!

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.


Aus Gitarre & Bass 03/2017

Produkt: Gitarre & Bass 9/2022 Digital
Gitarre & Bass 9/2022 Digital
Im Test: Soldano SLO Mini +++ Harley Benton JJ-45OP und JP-45OP +++ Jensen Speakers Impulse Responses +++ Maybach Stradovari S61 „True Specs“ Masterbuild +++ LTD Phoenix-1000 +++ Epiphone B.B. King Lucille Bone White LTD & ES-335 +++ Keeley Electronics Halo Andy Timmons +++ Universal Audio UAFX Woodrow '55, Ruby '63 & Dream '65 +++ Baton Rouge X11S/FJE-AB Acoustic

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