Kruspes Cross-Calzone

ESP RZK-II Burnt im Test

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E-Gitarre im Les-Paul-Style von ESP, mit voll brontaler Rrrrammstein-Pyro-Kokel-Oberfläche, stehend
(Bild: Dieter Stork)

 

Kann ja durchaus mal passieren, dass eine Gitarre bei Rammstein-Shows zwischen die Fronten von Pyro-Effekten und Flammenwerfern gerät. Solche oder ähnliche Gedanken schießen einem bei der Betrachtung von Richard Z. Kruspes aktueller ESP-Signature-Gitarre durch den Kopf.

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Das gleichermaßen beeindruckende wie provokante Finish der ESP RZK-II ist das Resultat monatelanger vergeblicher Versuche an Prototypen und der letztlich erfolgreichen Kooperation des japanischen ESP Custom Shops mit dem deutschen Gitarren/ Bass-Bauer Sandberg, der das Herstellungsverfahren der angekokelten Oberfläche entwickelt hat. Nachbildungen blutunterlaufener Hautritzungen runden die martialische Optik ab.

 

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“Rrrrammstein – ein Mmmensch brrrennt” (Pyro und Theaterdonner)

 

Konstruktion der ESP RZK-II Burnt

Rein äußerlich erinnert die RZK-II unverkennbar an eine Les Paul. Das ist jedoch auch schon alles, denn konstruktionell hat unsere Probandin überhaupt nichts mit dieser zu tun. Da sich Richard Kruspe die RZK-II weniger „schwerfällig“ und mit mehr Attack wünschte, hat ESP einfach die Hölzer der ersten Signature RZK-I verwendet, d. h. durchgehender, aus drei Ahornteilen längsgesperrter Hals, Palisandergriffbrett sowie Korpusflügel und gewölbte Decke aus Erle. Das Griffbrett ist von dickem, weißem Binding umgeben, welches mitsamt des Halses gelblich transparent eingefärbt wurde. Mit Ausnahme von Decke und Kopfplatten-Front hat man sämtliche Oberflächen seidenmatt lackiert, Korpusrücken und -zargen schwarz. Die eierschalenfarbene Deckengrundierung erweckt tatsächlich den Eindruck von aufgeplatzten Brandblasen. Selbige findet man auch an den Zargen, wenn auch in abgeschwächter Form. Was genau bei der Behandlung technisch abläuft, darüber halten sich sowohl ESP als auch Sandberg erwartungsgemäß zurück.

Da sich die ausgehärteten Ränder der Brandblasen hochgewölbt haben, bricht das dünne Material sehr leicht und blättert ab. Das passiert einfach während des Spielens, und davor schützt auch keine pflegliche Behandlung. Aus ergonomischer Sicht steht die RZK-II wesentlich besser da als das klassische Vorbild, gibt es doch sowohl einen fließenden Halsübergang als auch eine komfortable Konturfräsung auf der Body-Rückseite. Hier finden wir auch eine runde Schalterkammer und ein für das einsame Volume-Poti völlig überdimensioniertes E-Fach, beide präzise Oberkante bündig mit alubeschichteten Kunststoffplatten verschlossen und per Graphitlack abgeschirmt. Die Abdeckung der Federkammer liegt indes auf. In einer separaten metallenen Schnellwechselhalterung mit schwenkbarem Deckel haust die per stabilem Clip angeschlossene 9-Volt-Batterie der EMG-Pickups. Ein ovales Zargenblech trägt die Klinkenbuchse, Schaller-Security-Knöpfe sichern den Gurt, die beiden Gegenstücke zählen selbstverständlich zum Lieferumfang.

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Beeindruckende, aber auch empfindliche Oberfläche (Bild: Dieter Stork)

Über das Palisandergriffbrett verteilen sich 24 fette, perfekt abgerichtete und inklusive der verrundeten Kanten vorbildlich polierte Jumbobünde. Nicht weniger fette Rammstein-Kreuze aus Perloid und schwarze Sidedots markieren die Lagen. Ein sorgfältig ausgerichteter und auf optimale Saitenlage eingelassener Klemmsattel, auf dessen Rückseite ein Kragen den Übergang zur Kopfplatte verstärkt, sowie der obligatorische Stringtree führen die Saiten zu den geschmeidig und präzise arbeitenden Gotoh-Tunern. Die Halsstab-Abdeckung und die gebranntschatzte Kopfplatte tragen die Modellbezeichnung der Signature-Gitarre. Von Detailverliebtheit zeugt auch das ESP-Logo in Rammstein-Schrift.

Ausschließlich aus klanglichen Gründen hat sich Richard Kruspe für seine Gitarre ein original Floyd Rose Vibrato gewünscht, welches er allerdings eher selten benutzt. Das erkennt man schon daran, dass ein ESP Arming Adjuster – das nahezu baugleiche Hardware-Teil heißt bei anderen Herstellern „BlackBox“ oder „BackStop“ – Up-Bendings entgegenwirkt und somit für einen mehr oder weniger festen Anschlag sorgt, der nach einem eventuellen Saitenriss stabile Stimmung garantiert. Obgleich nur zwei Federn eingehängt wurden, bewegt sich die FR-Basisplatte bei Saiten-Bendings keinen Millimeter.

Zwei aktive EMG-81-Humbucker mit matten Edelstahlkappen (Brushed Chrome) und entsprechend beschichteten Kunststoffrähmchen wandeln die Saitenschwingungen. Kontrolliert wird die spartanische Schaltung per Dreiweg-Pickup-Schalter und Master-Volume-Regler.

 

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Kräftiger Nacken (Bild: Dieter Stork)

 

Die ESP RZK-II Burnt in der Praxis

Obwohl Richard Z. Kruspe seine RZK-II standesgemäß stets in Drop D stimmt, liefert ESP das Signature-Modell in Standard-Tuning aus. Dank des 10 mm dünneren Bodys rangiert sie in der gewohnten Les-Paul-Gewichtsklasse, hängt ausgewogen am Gurt und zeigt ungeachtet des langen 24-Bund-Halses und der 648-mm-Mensur auch auf dem Oberschenkel beste Balance. Angenehm schmiegt sie sich an den Körper, und das tief ausgeschnittene Cutaway gewährt in Kooperation mit dem handlichen Halsübergang stressfreien Zugang zu den höchsten Lagen – ganz anders als von einer traditionellen Paula gewohnt. Trotz seines schlanken Profils legt sich der Ahornhals komfortabel in die Hand, und die trefflich verrundeten XXL-Bünde ermöglichen barrierefreie Lagenwechsel.

Schon der erste Barrée-Akkord gibt das enorme Resonanzpotential der ESP-Gitarre zu erkennen. Überdurchschnittlich intensiv und gleichmäßig schwingt die Neck-Thru-Konstruktion und scheint damit nicht aufhören zu wollen. Sie entwickelt ein beeindruckendes Sustain und klingt langsam und gleichförmig ab. Ausgewogen, mit straffem Bass, rund, luftig und lebendig präsentiert sich das Klangbild ohne Strom und übermittelt dabei dennoch eine gewisse homogene Wärme. Jeder Ton spricht direkt und spontan an und entfaltet sich blitzschnell, was von exzellenter Dynamik zeugt und viel Raum für ausdruckstarkes Spiel und Tonbildung lässt.

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Ergonomischer Hals/Korpus-Übergang (Bild: Dieter Stork)

Angesichts der enormen Ausgangsleistung der EMG-81-Humbucker steht dem clean eingestellten Amp der Angstschweiß auf der Front-Platte. Ungeachtet der ansonsten üblichen Kombination aus EMG-60-Hals- und -81-Steg-Pickup hat sich Richard Kruspe für zwei dieser ultra-heißen Aggregate entschieden. Wenn schon, denn schon. Trotz deutlicher Mittendominanz liefern beide EMGs auch ansprechende, rauscharme Clean-Sounds, deren breites Spektrum sowohl kraftvolle, kompakte Bässe als auch drahtige, klare Höhen, knackige Brillanz und ordentlich Obertöne bereithalten. Klarklanglich noch gefälliger, ja sogar charaktervoller sind der Hals-Pickup und seine Kombi mit dem Steg-81er, denn sie präsentieren sich wunderbar bluesig bzw. funky, Singlenotes schmatzen lustvoll, und Strumming wie auch Arpeggien lassen breite Klangteppiche aus den Lautsprechern perlen.

Erst der zerrende Amp bringt die eigentlichen Stärken der EMGs zur Geltung. Laut und druckvoll geht die RZK-II zu Werke, kann aber auch richtig brachial. Zumindest Pickup-seitig üben sich Nebengeräusche in vornehmer Zurückhaltung. Trotz des mittenbetonten Grund-Sounds nehmen jetzt vor allem die Höhen zu, und selbst bei Drop Tunings bleiben die Bässe kompakt und besitzen immer noch gute Definition. Obgleich bei soviel Output-Level naturgemäß die Dynamik in die Knie geht, bleibt noch genügend Platz für akzentuiertes Spiel, für Sustain-reich singende Soli sowieso. Dank seiner durchsetzungsstarken Mitten und aggressiven Höhen hat der Steg-Pickup im Ultra-High-Gain-Betrieb eindeutig bessere Karten als sein Nachbar, denn er pflügt sich auch durch komplexere Band-Gefüge.

Das geschmeidig rotierende Master-Volume-Poti arbeitet über seinen gesamten Regelbereich wunderbar gleichmäßig, vermeidet Höhenverluste und gestattet präzise Kontrolle von Pegel und Verzerrungsgrad.

Lässt man nach Down-Bendings den Floyd-Rose-Hebel los, schlägt der Vibratoblock trotz des aufgeklebten aber zu kleinen Filzdämpfers am BackStop-Bolzen an, was auch über den Verstärker zu hören ist. Damit das System stets präzise in die Ausgangsposition zurückkehrt, wurden die beiden Federn entsprechend straff gespannt. Für butterweiche Down- und Up-Bendings – für Letztere hat man die Decke entsprechend ausgefräst – müsste das Vibrato komplett anders eingestellt werden. Nach der Demontage des BackStops wäre das eine Sache von Minuten. Das original Floyd Rose arbeitet absolut stimmstabil und verkraftet selbst brutalste Dive-Bombs.

 

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Variabler Anschlag: ESP Arming Adjuster (Bild: Dieter Stork)

 

Resümee

Mit der RZK-II präsentiert ESP eine adäquate RZK-I-Nachfolgerin. Optisch zwar ein Les-Paul-Typ, sprechen Bauweise und Hölzer eine ganz andere Sprache. Während die klangliche Ausrichtung von den extrem leistungsstarken EMG-81-Humbuckern bestimmt wird, passt das martialische wenn auch empfindliche Finish perfekt zum Image der Pyro-freundlichen „Neue-Deutsche-Härte“-Band. Richards Streitaxt zeigt exzellente Resonanzeigenschaften und damit beste Dynamik und stabiles Sustain. Auch Hardware-seitig wird Highend geboten: Gotoh SG360 Tuner, original Floyd-Rose-Vibrato, Schaller Security Locks und ESP Arming Adjuster. Die EMG-81-Kraftpakete verleihen der RZK-II unbändige Power, die neben charaktervollen Hals-Humbucker-Cleansounds vor allem brachiale, Sustain-reiche und durchsetzungsstarke High-Gain-Sachen liefert. Vorbildliche Verarbeitung, perfekte Ergonomie, exzellente Bespielbarkeit und Handhabung und nicht zuletzt die gleichermaßen beeindruckende wie abschreckende Optik komplettieren den überaus positiven Gesamteindruck, der den stolzen Preis irgendwie rechtfertigt.

 

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Das Batteriefach ist einfach zugängig und hat einen praktischen Batterie-Clip (Bild: Dieter Stork)

 

Übersicht

Fabrikat: ESP

Modell: RZK-II Burnt LTD Signature Series

Typ: Solidbody-E-Gitarre

Herkunftsland: Japan

Mechaniken: Gotoh SG360, gekapselt, 14:1

Hals: Ahorn, 3-fach gesperrt, durchgehend, Burnt-Kopfplatte

Sattel: Floyd Rose Lock Nut, String Bar

Griffbrett: Palisander, eingefasst, Perloid Rammstein Cross Inlays

Radius: 14″

Halsform: U, oval (Thin U)

Halsbreite: Sattel 42,22 mm; XII. 52,17 mm

Halsdicke: I. 19,46 mm; V. 20,54 mm; XII. 21,15 mm

Bünde: 24, Extra Jumbo (2,75 × 1,47 mm)

Mensur: 648 mm

Korpus: Erleflügel, gewölbte Erledecke

Oberflächen: Korpus: Burnt Distressed Scratched; Zargen: Black Satin Burnt; Rückseite: Black Satin; Hals: Natural Satin

Schlagbrett:

Tonabnehmer: 2× EMG 81 Humbucker, aktiv

Stromversorgung: 1× 9 Volt Batterie

Bedienfeld: 1× Master-Volume, 1× Dreiweg-Pickup-Schalter

Steg: Original Floyd Rose Vibrato mit ESP Arming Adjuster

Hardware: verchromt

Saitenlage: E-1st 1,45 mm; E-6th 1,85 mm

Gewicht: 4,15 kg

Lefthand-Option: nein

Vertrieb: Sound Service

15834 Rangsdorf

www.sound-service.eu

Zubehör: ESP-Luxuskoffer, 3 Justierschlüssel, Schaller Security Locks, Echtheitszertifikat

Preis: ca. 3560

 

Plus

  • Sounds (Clean bis Metal)
  • Dynamik & Sustain
  • Qualität Hölzer & Hardware
  • Optik
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung

 

Minus

  • empfindliche Oberfläche (Decke und Zargen)
Produkt: Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Im Test: J&D DX-100 +++ Jimmy Wallace Guitars MT +++ Solar Guitars AB1.4JN +++ Fender Acoustasonic Player Jazzmaster +++ Vintage Historic Series +++ Tech 21 SansAmp Character Plus Series +++ Baroni AFK150 +++ Paul Belgrado NaNo B4 Shortscale +++ Harley Benton MV4-PJ Gotoh BM +++ British Pedal Company Dumble Overdrive Special +++ JHS Packrat

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