G&B Testbericht

Engl Gigmaster im Test

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Gitarrenverstärker-Topteil von ENGL, schwarz
(Bild: Dieter Stork)

“Hach, der Kleine ist ja niedlich. Also der darf von mir aus auch ins Wohnzimmer … ” spricht die verständnisvollste und großzügigste aller Lebensabschnittsgefährtinnen, lächelt zuckersüß, hernach ihr Männe das Säuerliche in seiner Miene zu unterdrücken sucht. Hah, Rache ist süß! Wenn Missy wüsste, welchem Wolf im Schafspelz sie da gerade Eintritt gewährt.

 

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Kaum größer als ein Schuhkarton, aber ein reguläres Zweikanal-Topteil, und sogar mit einigen Extras versehen. Röhrentechnik ganz klein, mal seh’n wie fein: Bei einem empfohlenen Verkaufspreis von knapp unter €600 stellt der Gigmaster augenscheinlich eine Kampfansage an die Flut der China-Importe in dem Produktsegment dar. Soll sagen, Engl stemmt sich dem Trend entgegen, hat nicht mit einer Billiglohn-Produktion im (asiatischen) Ausland kalkuliert, sondern fertigt den Amp komplett hier daheim in deutschen Landen – ein mutiges Projekt, und sicher extrem knapp kalkuliert.

as Topteil steht natürlich nicht alleine im Katalog. Da in dem Konzept bequemer Transport durch kompakteste Abmessungen ein wichtiges Kriterium darstellt, ist auch das zugehörige Cabinet klein gehalten und daher mit einem Zehnzöller (G10N-40 von Celestion; ca. €224) bestückt. Derselbe Speaker-Typ wird im baugleichen 1×10″-Combo verwendet (ca. €690).

Konstruktion des Engl Gigmaster

Der Gigmaster steht in der Ausstattung einem normalen Röhrentopteil in nichts nach. Er hat wie gesagt zwei Sound-Kanäle zu bieten, die sich eine gemeinsame Dreibandklangregelung teilen, einen seriellen Einschleifweg, drei Speaker-Ausgänge mit Impedanzen von sechzehn (2) und acht Ohm (1), und sogar einen elektronisch symmetrierten Line-Output mit Speaker-Klangkorrektur. Das alles samt einer 2xEL84-Endstufe auf so kleinem Raum – beachtlich. Was den Gigmaster allerdings besonders auszeichnet, sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Man muss auf die Rückseite blicken, um dort den im Lüftungsgitter angebrachten Drehschalter mit der Aufschrift “Power Soak” zu finden. Ein Funktionsmodul, das normalerweise teuer als externe Einheit hinzugekauft werden muss, ist hier also schon integriert.

Technisch ähnlich konzipiert wie beim von Tom Scholz anno dazumal erstmalig unter gleichem Namen eingeführten Leistungsverbrater vernichten Lastwiderstände (hinter dem Ausgangstrafo angeordnet) die Endstufenenergie. Hier allerdings unterstützt von zwei Kondensatoren, die vermutlich dafür sorgen sollen, dass der Sound in den Höhen frisch bleibt. Vier Soak-Stufen sind wählbar:

  1. Full-Power (Bypass).
  2. 5 Watt.
  3. 1 Watt.
  4. Speaker-Off.

Unveränderbar am 8-Ohm-Ausgang angeschlossen ermöglicht der Power-Soak also sogar den Gigmaster stumm zu betreiben, was in Hinsicht auf (Home-) Recording-Ambitionen über den Line-Ouput natürlich nur von Vorteil sein kann. Die maximale Leistung des kleinen Verstärkers ist mit ca. 15 Watt angeben. Die schöpft er aus einer Class-AB-Gegentaktbetrieb-Endstufe mit fixem Gitterbias, womit maximale Leistungsausbeute garantiert ist. Logisch, die ist essentiell, so der Gigmaster seinem Namen gerecht werden und live bestehen will.

Neben den beiden EL84 würde man bei einem Vollröhren-Amp normalerweise noch mindestens zwei ECC83 erwarten, eine in der Vorstufe, die andere als Phasentreiberstufe. Hier ist dem nicht so. Es weilt nur ein Exemplar mit Engls typischen Federblechen fixiert/gesichert im Chassis. Des Rätsels Lösung ist, dass in der Schaltung an für den Sound unsensiblen Stellen Halbleiter-Op-Amps das Signal bearbeiten. In der Vorstufensektion z. B., gleich hinter dem Input, um die Signalstärke erst einmal linear soweit anzuheben, dass in der ECC83 genügend Gain für die Lead-Sounds zur Verfügung steht. Wie, was? Höre ich da ein besorgtes Aufstöhnen der Tubetone-Fundamentalisten, kein purer Röhrensignalweg, oh, oh, der Ton ist in Gefahr?! Na na, solche Anwandlungen sind heutzutage eigentlich nicht mehr haltbar. Diverse Hersteller haben inzwischen bewiesen, dass mit modernen ICs klangneutral mit hoher Signalgüte in die Röhrenschaltungen eingegriffen werden kann. Man denke beispielsweise nur an entsprechende Einschleifwege. Die „richtigen“ Op-Amps machen an dieser Stelle einen exzellenten Job.

Womit wir zum mechanischen Aufbau des Amps kommen. Das Holzgehäuse ist aus Spanplatten gefertigt, im übrigen präsentiert sich der Aufbau qualitativ nicht anders als es bei den hochpreisigeren Engl-Verstärkern der Fall ist. Das stabile U-förmige Blechchassis findet über vier große Käfigmuttern Halt im Gehäuse. Im Inneren zeigen sich drei Platinen, auf denen quasi alle Bauteile untergebracht sind; Hochspannungen sind über Steckkontakte geführt, die Endstufe ist mit zwei Feinsicherungen vor Schäden geschützt. Was die optische Erscheinung angeht hat sich Engl ebenfalls ins Zeug gelegt. U. a. mit dem eloxierten Kühlgrill an der Front, den schicken Chickenheads im Schwarzchrom-Look (bei Ibanez heißt das cosmo-black, oder so?). Okay Burschi, hier ist dein Fleißkärtchen, die erste Sparrings-Runde hast du souverän überstanden. Jetzt geht’s aber ans Eingemachte. Sing uns dein Lied!

Engl Gigmaster in der Praxis

Stufe #1, mal sehen wie gut der Gigmaster clean bei Stimme ist. Gleich die harte Vorgabe, er muss eine 4×12-Box mit Greenbacks antreiben. Die Morgaine-Strat sorgt für ein adäquates Eingangssignal. Input-Gain in Stellung 10 Uhr, Klangregler auf Mitte, Master langsam aufdrehen, was geschieht? Heh, ist der Amp schlagfertig. Die Wiedergabe steigt sofort kräftig und voluminös ein, eine angenehme Nachgiebigkeit im Attack mischt sich mit kräftiger, impulsstarker Dynamik. Das geht ja gleich gut los. Auch vom reinen Klangeindruck her ist das Ergebnis sofort erfreulich.

Satt im Fundament, transparent mit eher weichen Höhen, hat man eine Art modernen US-Vintage-Ton zur Verfügung. Die Ohren lauschen, hhmm, das braucht diese Strat sonst selten, aber hier kann sie tatsächlich etwas mehr Höhen vertragen. Also Treble nachschieben: Fein, der Gigmaster wird nicht giftig, die Obertöne kommen deutlicher hervor, das Klangbild bleibt aber homogen. Und wie benehmen sich Bass und Middle? Sie entfalten zum einen erfreulicherweise große Wirkung, und setzen zudem an günstigen Frequenzpunkten an. So bekommt man die Wiedergabe sehr gut unter Kontrolle und hat ein breites Klangspektrum zur Hand. Wie es bei passiven RC-Netzwerken üblich ist, beeinflussen sich auch hier die Regelbereiche, sogar erheblich, und tragen damit zur einer hohen Flexibilität bei.

Okay, das Master weiter aufziehen. Ca. 14 Uhr, fein ziseliert schmuggeln sich erste Overdrive-Verfärbungen in den Ton, kaum als Verzerrungen wahrnehmbar, der Ton verdichtet sich vordergründig einfach nur, sieh an, das macht der Gigmaster ja fast vorbildlich. Steht das Master-Volume dann am Maximum, erzeugt der Gigmaster markigen Rhythm-Crunch mit oberamtlich harmonischen Verzerrungen, klasse. Aber noch nicht genug Intensität? Na ja, wir haben ja noch Reserven beim Input-Gain, legen wir doch einfach dort nach. Bingo, nun reicht es auch allemal für Texas-Blueslines usw. Ja, ist klar, nun ist’s zu laut? Genau, das ist der Moment da wir dem Power-Soak auf den Zahn fühlen. Natürlich verändert sich bei Herunterschalten der Höreindruck, schon allein weil aus physiologischen Gründen der Mensch je nach Schallpegel anders hört. Das Klangbild wird in beiden Absenkungsstufen jeweils unten herum etwas dünner, aber die so schön musikalische Ansprache und die Interaktion mit dem Spieler bleibt erhalten. Insofern lautet die Devise schon jetzt ganz eindeutig: Daumen hoch für den Power-Soak.

In Hinblick auf die Arbeitsweise des Clean-Kanals muss noch auf eine Eigenheit hingewiesen werden. Clean-Gain ist kein Lautstärkeregler im herkömmlichen Sinne, sondern, wie der Name ja strikt übersetzt auch sagt, eine Regelung für die Vorverstärkung. Was sich darin äußert, dass der Ton am Linksanschlag nicht verschwindet. Diese Position dient schlicht als die Basis für maximale Übersteuerungsfestigkeit, also die stabilste Clean-Wiedergabe. Gitarren mit hohem Output, fette Paulas, oder aktive Pickups, werden hier gezähmt. In der Natur der Sache liegt, dass Clean-Gain abgesehen von den Verzerrungen Einfluss auf die Klangfarbe nimmt. Am Linksanschlag luftiger in den Tiefmitten, nimmt beim Aufdrehen in diesem Bereich die Fülle allmählich zu. Macht Sinn, dies bei der Abstimmung der Dreibandklangregelung mit ins Kalkül zu ziehen.

Jetzt haben wir schon soviel Gutes am Gigmaster entdeckt, dabei hat noch gar nicht der Gong zu dritten Runde geschlagen. Gehen wir nun also mit dem Lead-Kanal in den Clinch. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass hier keine Enttäuschung zu erwarten ist. Der Newbie kommt schließlich aus einem exzellenten Stall. Anders ausgedrückt: Engl weiß wie man markante Leadsounds kreiert. So fällt auch beim Gigmaster sofort die typische Geschmeidigkeit des Lead-Tons positiv ins Ohr, weich im Anschlag, schmatzend, Sustain-reich singend. Wonach er gleich darauf für ein Überraschungsmoment sorgt. Dieser Lead-Kanal verbreitet eine eigene Note, indem er seine recht hohen Gain-Reserven in rauchige, grobe, britisch angehauchte Verzerrungen umsetzt. Man hört nicht einen Abklatsch von den großen Brüdern. Damit wir uns nicht missverstehen, es geht bei der Aussage um den Klangeindruck. Die Verzerrungen selbst sind sehr harmonisch und alles andere als grob in ihrer Zusammensetzung. Kleiner Gigmaster ganz groß, sein Lead-Kanal konturiert tiefe Noten präzise, macht mächtig Schalldruck frei und spricht im gesamten Tonumfang ausgeglichen an.

D. h. auch sehr hohe Töne, die von sich aus nun mal eher energieschwach sind, entwickeln sich schön tragfähig. Eine Freude ist es außerdem, das Obertonspektrum zu fordern. Feiner Singsang bei entsprechenden Flageolett-Attacks, wie lieblich tönen das „üüühh“ über den Hals-TA und das „iiieeehhh“ am Steg. Gleichzeitig hat man die Lead-Distortion sehr schön im Griff, kann sie mit dem Guitar-Volume und der Spielweise nahezu ideal manipulieren. Der Mid-Boost erzeugt nur einen moderaten Gain-Nachschlag, die Intensität der Verzerrungen nimmt nicht viel zu, aber die von ihm erzeugte Betonung der oberen Mitten schafft höhere Präsenz und damit so was wie einen Solo-Nachbrenner mit erhöhtem Durchsetzungsvermögen. Das Sound-Spektrum des Lead-Kanals bzw. seine Anwendbarkeit erstreckt sich von 70s-Rock über modernen Blues bis hin zu Hardrock, ist also sehr weit gespreizt, weil eben auch hier die Klangregelung energisch zupackt. Im direkten Sound-Wechsel Clean/Lead lässt sich dieses Potential natürlich nur bedingt nutzen, die Balance zwischen den beiden ist aber zweifelsfrei günstig austariert.

Natürlich hilft auch im Lead-Kanal der Power-Soak den günstigsten Arbeitspunkt zu finden. Was relevant wird, wenn die Endröhrensättigung Anteil nehmen soll. Der Gigmaster klingt an sich schon in der Vorstufe homogen, es kommt aber eben doch eine interessante Note hinzu, wenn die EL84 (maßvoll) in die Knie gehen. Im Übrigen muss man für die Abstimmung des Amps jederzeit berücksichtigen, dass der Input-Gain nicht alleine auf den Clean-Modus wirkt, sondern auch den Lead-Kanal beeinflusst. Von daher schließt sich unter den oben beschriebenen Gegebenheiten die Konstellation True-Clean und High-Gain-Lead für den Live-Betrieb aus.

Der Kanalwechsel und Mid-Boost-On/Off erzeugen nur vernachlässigbar geringe Schaltgeräusche. Der Einschleifweg funktioniert einwandfrei, verlangt aber für die optimale Aussteuerung des Gigmasters im Prinzip nach Geräten, die bei 0-dB-Level arbeiten, wegen der seriellen Anordnung sollten sie in der Signalbearbeitung qualitativ hochwertig sein. Da der Effektweg vor dem Master-Volume liegt, können Pegelverluste allerdings in gewissem Rahmen aufgeholt werden.

Zum Abschluss steht der Line-Out im Rampenlicht. Auch hier überwiegt das Positive im Eindruck. Die Speaker-Simulation hat Engl recht authentisch hinbekommen, sprich der D.I.-Sound zeichnet den Charakter des Gigmaster wie er über eine gute Box zu Ohren kommt vorteilhaft nach. Nicht zuviel Biss in den Höhen, an sich alles schön ausgewogen. Nur im Bassbereich ist das Angebot ein wenig dünn. Die Wirkung des Basspotis kommt nicht vollends zur Geltung und man kann den Bereich auch mit dem Mischpult-EQ nicht wirklich packen. Daraus resultiert letztlich nur eine Schwäche: Gedämpft gespielte Noten auf E6 und A5 erzeugen im Lead-Modus nur begrenzt Druck. Das ist aber wirklich nur ein kleiner Wermutstropfen, schwerer wiegt, dass der Balanced-Line-Out live doch eine echte Alternative zum Mikrofon darstellt, und er auch im Recording-Bereich gute Ergebnisse garantiert.

Die Sache mit dem moderaten Lead-Bassdruck liegt im Übrigen in der Grundkonzeption. Und wurde wohl so abgestimmt, um die Leistungsausbeute aus den EL84 nicht durch die am meisten Energie fressenden Bassanteile zu beschränken. Dies als Hinweis bei der Wahl des Cabinets. Maximale Sound-Kultur erfordert eine voluminös aufspielende Box. Na ja, wer eine besonders kompakte Lösung anstrebt, wird sich in der Hinsicht ja auch keine Illusionen machen. Gewisse Abstriche muss man einfach hinnehmen, wenn z. B. nur so ein Mini-Cab mit ’nem Zehnzöller an den Start geht.

Konkurrenz

In seiner Preisklasse hat der Gigmaster nur eine Handvoll in etwa ebenbürtiger Mitbewerber. In Frage kommen in erster Linie Egnaters Rebel 20 und Blackstars Studio-20-Head. Wegen seines eigenen Charakters und der speziellen Ausstattung steht der Gigmaster aber nicht wirklich einem direkten Konkurrenten gegenüber. Anders ausgedrückt: Wenn einem der Amp gefällt gibt es keine ebenbürtige oder gar preisgünstigere Alternative. Ein wirklich vergleichbarer Amp findet sich überhaupt nur im Studiotone von Koch, der jedoch bei noch aufwendigerer Ausstattung über € 300 mehr kostet.

Resümee

Herzlichen Glückwunsch, mit dem Gigmaster ist Engl ein großartiger Wurf gelungen! Kultiviert im Ton, technisch elegant in der Funktion, kompakt und u. a. mit seinem Power-Soak üppig ausgestattet sprengt der Amp fast schon die Dimensionen dessen was man in der Preisklasse für realisierbar halten möchte. Made in Germany zum Spartarif: Preis und Leistung stehen definitiv in einem günstigen Verhältnis.

Produkt: Fender Stratocaster
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